Lehre von "vertikaler" Dynamik

Stilblüte

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Liebe Klavierlehrer,

Was habt ihr für Methoden, um euren Schülern Dynamikabstufungen innerhalb einer Hand beizubringen? Also Führung bzw. Hörbarkeit von Melodie, Oberstimme, aber auch anderen Stimmen, Basslinien, Akkorden etc.

Dazu gehört zum einen das Handwerkszeug (wie lehrt uns zeigt ihr das?) als auch ein Bewusstsein für die latente Polyphonie bzw. Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die aber nicht gleich laut (einer von mehreren Aspekten) sein sollen; sprich: Transparenz (und wie lehrt ihr das?).

LG Stilblüte
 
ah, bin ja hier falsch, hab aber mal das hier gelesen:

[...]but for the most comfortable and best controlled movement in this piece I recommend playing chords with the active participation of the fingers.

By setting the fingers, i.e. firmly adjusting them to the chord patterns, and then pushing the arm forward we can make all the notes in each of the chords sound equally loud or soft, it's true. But in this particular case ( Anm. Olli: c-Moll-Prelude, Chopin ) we have to bring out the melody which is "hidden" in the chords.

This can be achieved more easily and comfortably by using the "grasping" way, i.e. by using the individual fingers.
By grasping with the fingers, moving the hand down ( WRIST UP !! ) and the arm forward you would have all the ff you want as well as the gentlest pp
without losing the control of each individual note.

Ist es so, oder ist es nicht so? :-)

So, bin raus.

LG, LMG
 
Liebe Blüte,

ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch einen audiomotorischen Zugang zu Musik, die damit verbundene Schulung des Gehörs, des Musikverständnisses etc. einerseits und durch die Entwicklung und Einhaltung (!) bestimmter und kreativer Übestrategien andererseits sich vieles von selbst ergibt und man dann dem Schüler auch viel Freiraum einräumen kann.

Das weißt du natürlich selbst und ist auch sehr allgemein, aber oft liegt da der Hase im Pfeffer.

Grob und sehr vereinfacht hat man zwei Gruppen von Schülern:

a) Anfänger

b) Schüler, die man von anderen übernimmt/Wiedereinsteiger.

Geht es dir vor allem um die Gruppe 2, gerade auch im Hinblick auf deine Schüler?

Diese Gruppe hat gegenüber Gruppe 1 den Vorteil, dass schon vieles da ist und man bei Fortgeschrittenen schon sehr kreativ arbeiten kann.

Sie hat den Nachteil, dass Hörgewohnheiten, Angewohnheiten und Übeweisen vorhanden sein können, die einem transparenten und differenzierten Klangbild - das, was du dir ja hier wünschst - , entgegenstehen.

Wie wird man die wieder los?

Auf zwei Weisen (s.o. 1. Abschnitt):

1) Indem man einen vielfältigen Unterricht mit Harmonielehre, Gehörbildung, Liedbegleitung, Improvisation, Transposition von einzelnen Stellen etc. macht, indem die musikalischen Fähigkeiten geschult werden. Gerade auch bei Fortgeschrittenen, die sich mit dem "Spiel ohne Noten" manchmal schwer tun.
Nur das, was man hört, kann man auch spielen. Es nützt letztendlich nichts, wenn ich als Lehrer immer wieder was sage, der Schüler aber nur macht, was ich sage und nicht, was er hört. Es wird nie überzeugend klingen.

Leider ist besonders im Hobbybereich nicht jeder willens, das zu tun und so kann es manchmal wirklich lange dauern, bis sich ungünstige Angewohnheiten verabschieden. Altenmüller sagte einmal, dass alte Verhaltensweisen wie ein Gummiband uns immer wieder an ihre Stelle ziehen.

Da kommt Punkt 2 ins Spiel:

2) In einer wertschätzenden und achtsamen Kommunikation immer wieder auf die für den Lehrer wesentliche Punkte bestehen! Das kostet manchmal Kraft und Geduld, lohnt sich aber.

Du kennst ja alle Tricks und Tipps, mit denen man zwei und mehr Lautstärken in einer Hand umsetzt (z.B. Oberstimmenübungen ...), du kennst das stimmenweise Üben, du kennnst es, zwei Stimmen in der rechten Hand mit zwei Händen zu spielen, das harmonische Gerüst darzustellen, Töne wegzulassen (Reduktion des Notentextes) etc. etc..

Ich entwickle im Unterricht zusammen mit dem Schüler solche und mehr Übestrategien. Der Schüler hört, dass alles sofort besser, transparenter und differenzierter klingt, nebenbei technische Probleme gelöst werden, die Klangvorstellung geschult wird, die Kenntnis des Notentextes sich deutlich verbessert, Sicherheit im Spiel fast automatisch die Folge ist etc.. Gehörschulung und klanglich differenzierte Umsetzung bilden dabei eins.

Der Schüler ist im Unterricht wegen des sofortigen Erfolgs deutlich willens, genauso zu üben! Wesentlich für den Erfolg ist, dass ich diese Schritte zusammen mit dem Schüler aufschreibe und wir dabei eine gemeinsame Sprache bzw. für den Schüler sinnvolle Metaphern und Ausdrücke finden!

Denn bei allem guten Willen wird leider zu Hause viel vergessen. Das tägliche Umfeld, die Arbeit, der Beruf lenken ab und schon stolpert man als Schüler geradewegs in die seit Jahren ausgetretenen Pfade der vermeintlichen Klavierspielkunst! :003:

Was bedeutet das für den Unterricht? Dass ich als Lehrer in der nächsten Stunde die einzelnen Übeschritte quasi abfrage und kontrolliere! Nicht mit Rohrstock und Peitsche, sondern mit Geduld und einer ordentlichen Prise Humor. Es ist halt nicht so einfach, seine Angewohnheiten zu verändern - das kennen wir ja auch selbst. Stimmenweise zu üben ist dabei eine der wichtigsten Übestrategien, quasi die Voraussetzung für alles andere!

Das heißt, dass es vorkommen kann, dass der Schüler immer wieder die in der vorherigen Unterrichtsstunde entwickelten und von ihm als sehr sinnvoll erachteten Übeschritte in der nächsten Stunde präsentieren muss. Der/die Arme kann mir nicht entkommen! :004: Ein mehr oder weniger wesentlicher Anteil der Stunde geht für dieses Schaffen der Basis und Grundlagen drauf. Es kommt auf den Schüler an, aber oft geht es nicht anders.

Durch Fragen - du bist ja auch so eine Fragetante :003: - kann man dann immer weitere musikalische Parameter hinzunehmen (wo willst du hinspielen?, wo ist dein Ziel?, warum spielst du das so?, wie willst du das spielen?, welchen Charakter soll dies darstellen.......).

Mir ist auch im Studium aufgefallen, dass Lehrer oder Professoren seltenst einen sehr strukturierten Unterricht anbieten, in dem auch kontrolliert wird, was die Studenten zu Hause so treiben und dass der Unterricht dann an ihnen "vorbei gehen" kann. Man könnte sagen, dass auf dem Niveau ja wohl Selbstständigkeit und Eigenverantwortung vorausgesetzt werden kann, aber ich glaube, dass die Schwierigkeit, sich von ungünstigen Angewohnheiten zu trennen, deutlich unterschätzt wird.

Ich weiß ehrlich jetzt nicht, ob mein Beitrag ganz an deinen Intentionen vorbeigeht - wenn ja, bitte melden! :003:

Liebe Grüße

chiarina
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe @chiarina,

nein, das war nicht ganz an meinen Intentionen vorbei. Im Prinzip weiß ich das natürlich alles auch, aber es ist trotzdem gut und hilfreich, es immer wieder zu lesen, mit neuen Schwerpunkten und neu aufgeschlüsselt. Vielleicht sollte ich noch stärker nachfragen, wie etwas geübt wird. Ich bilde mir ein, das schon zu tun, aber vielleicht sollte ich noch nachdrücklicher herausstellen, wie essentiell das "wie" ist.

Was ich aber auch gemeint habe mit meiner Frage, ist die ganz konkrete Umsetzung. Beispiel: Chopin Nocturne op. 48,1, c-moll, Reprise. Da ist die Melodie in der rechten Hand, die Mittelstimme hat ziemlich viel zu tun, es ist schnell und virtuos - und eigentlich auch noch leise :003:
Schüler hat das Stück geübt, spielt es recht ordentlich, hat sich Gedanken darüber gemacht, ist musikalisch. Aber die Melodie kommt nicht raus. Ich merke, dass er innerlich sie hört und verfolgt, leider ist sie aber p und die Mittelstimme f... :011:

Wir arbeiten nun an der konkreten Umsetzung. z.B. an der Vorstellung (Ski-Fahren: Gewichtsverlagerung) genauer Anleitung (Position / Drehung der Hand, Verankerung in den Melodietönen, nicht in die Mittelstimme plump hineinfallen, sondern mehr greifen etc.)
Es wird besser, aber klappt noch lange nicht zufriedenstellend.

Meine Frage zielte darauf ab, ob ihr noch Ideen oder Herangehensweisen habt, auf deren Idee ich noch nicht gekommen bin.

Oder ob ich bzw. der Schüler einfach geduldig und fleißig sein sollen :005: Mir ist schon klar, dass das nicht sofort zu 100% klappt.

LG Stilblüte
 
naja, vielleicht sollte man an "einfachen" bekannten Stückchen z.B. fröhlicher Landmann üben, da hat man im 2. Teil auch Begleitung und Melodie in einer Hand. Es ist ja eher eine mentale Frage. Ich würde auch weniger die Aufmerksamkeit auf eine lautere Melodiestimme lenken, sondern eher den Focus auf das zurückhaltenere Spiel der Begleitung (Nebenstimme) legen. Es ist leichter einzelne Finger i n einer Hand im Vergleich leiser anschlagen zu lassen, als im Vergleich kräftiger.
 
ganz einfache Übung::-)
Die Melodie, die klingen soll, spielen.
Alle anderen Töne nur so tun als ob, aber akkurat die Tasten berühren lassen.
Diese Töne klingen also nicht.
Das schult recht gut die Empfindung von unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Anschlags in einer Hand.
 
ganz einfache Übung::-)
Die Melodie, die klingen soll, spielen.
Alle anderen Töne nur so tun als ob, aber akkurat die Tasten berühren lassen.
Diese Töne klingen also nicht.
Das schult recht gut die Empfindung von unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Anschlags in einer Hand.
Oh-oh, gleich kommt der böse @rolf und sagt Dir (sinngemäß, habe keine Lust den Beitrag zwecks Zitieren zu suchen), dass es völliger Quatsch sei:teufel:.
Danke, dass Du diese hilfreiche und manchmal sehr notwendige Übung erwähnst (und dadurch rehabilitierst):super:.
 

Die Melodie, die klingen soll, spielen.
Alle anderen Töne nur so tun als ob, aber akkurat die Tasten berühren lassen.
Diese Töne klingen also nicht.

Die unberufene Schülerstimme aus dem Off:

Mal auf einem kernigen/griffigen Instrument spielen lassen (vulgo: "schwergängig"). Nicht auf Dauer, Motivation und Fingergesundheit sollen erhalten bleiben, aber um sich die Melodiestimme zu "er-hören".
 
Mit einfacheren Übungsstücken ( erst einmal nur Sopran und Alt in der RH) beginnen, wo die Melodie im Sopran auf den Schlagzeiten steht, die Altstimme aber in der Regel um eine Achtel versetzt, ungerade, dazu kommt. Dann: Methode der Übertreibung: Sopran im kräftigen f ( muss ja nicht gleich ff sein) und Alt im p. Erfahrungen sammeln, wie Du sie schon genannt hast: Gewichtsverlagerung, und auch: Stellung des 5. Fingers. Hier liegt oft der Hase im Pfeffer, weil die Leutchen den 5. Finger rechts zu flach halten gegenüber dem Winkel der Finger 2 bis 4. Also: gesunde Krümmung im 5. damit der "Hubausgleich" da ist.
 
Liebe Klavierlehrer,

hier mal eine Replik aus Sicht eines Betroffenen.
Oder ob ich bzw. der Schüler einfach geduldig und fleißig sein sollen :005: Mir ist schon klar, dass das nicht sofort zu 100% klappt.
Ja, bitte! Verstehen und Umsetzen sind zwei Paar Schuhe. Wenn es nicht sofort gelingt, kann es durchaus an mangelnder Motorik liegen. Dann sollte man dem Schüler Tipps mitgeben und ihm bis zur nächsten Stunde Zeit lassen, das zu üben. Mich frustriert es, wenn meine KL sofort ein für sie hörbares Ergebnis erwartet, während ich ihre Vorstellung zwar durchaus verstanden habe, aber es nicht wie gewünscht hinbekomme.
Ich merke, dass er innerlich sie hört und verfolgt, leider <...>
Ja siehste. Nicht jeder hat schon den
bei dem sich eine Klangvorstellung auf magische Weise auch in das entsprechende Spiel umsetzt.

Danke!
:coolguy:
 

Was ich aber auch gemeint habe mit meiner Frage, ist die ganz konkrete Umsetzung. Beispiel: Chopin Nocturne op. 48,1, c-moll, Reprise. Da ist die Melodie in der rechten Hand, (1) die Mittelstimme hat ziemlich viel zu tun, es ist schnell und virtuos - und eigentlich auch noch leise :003:
(2) Schüler hat das Stück geübt, spielt es recht ordentlich, hat sich Gedanken darüber gemacht, ist musikalisch. Aber die Melodie kommt nicht raus. Ich merke, dass er innerlich sie hört und verfolgt, leider ist sie aber p und die Mittelstimme f... :011:
(1) ...ja, kann man sagen...das Luder hat sich karnickelartig vermehrt und kommt in dicken Akkorden (r.H.) und Doppelgriffen (l.H., gegen Ende auch in Akkorden) daher
(2) ...erstaunlich, dass es melodielos recht ordentlich und musikalisch ist

denkbare Varianten:
a)
Schön, dass man es bis in sehr virtuose Bereiche schaffen kann, ohne dass elementare Angelegenheiten längst automatisch gekonnt werden (klangliche Differenzierung) - da niemand so einen Brachialnocturne, zu dessen Beherrschung nur eine der 24 Etüden hilft (die in h-Moll für den Mittelteil hähä), innerhalb des ersten halben Jahres als Anfänger angeht, sondern für dergleichen schon ein paar Jahre Unterricht auf dem Buckel hat: a la @hasenbein "Kack-KL, sofort wechseln" ;-):-D:drink:
b)
Die Fachliteratur pflegt Chopins Klaviersatz zu loben, indes dem Nikolaus aus dem hohen Norden*) einen dicken Klaviersatz zu attestieren - hier aber wird, indem die Melodie zurücktritt, der Nachweis klanglich erbracht, dass Chopin zumindest in der Reprise des Nocturnes ebenso vollgriffig vulgo dick akkordisch schreibt, wie das grimme Nordlicht: nicht eingreifen, sondern verstehen - es handelt sich um eine tief durchdachte Neuinterpretation (außerdem kennt man die Melodie schon aus dem ersten Teil, wozu also alles zweimal sagen) ;-):-D:drink:
c)
katholisch werden, Rosenkränze kaufen, exzessiv beten, dass es sich bessert - bessert es sich nicht, das anhören der Reprise mit forte "Mittelstimme" und piano Melodie als gerechte Strafe Gottes akzeptieren ;-):heilig::heilig:

___________________
*) dem war sein eigener Klaviersatz zu vollgriffig, zu dick, weshalb er gleich 51 Übungen verzapft hatte...
 
a la @hasenbein "Kack-KL, sofort wechseln" ;-):-D:drink:
Ich hab alle als Schüler übernommen :003: stelle aber fest, dass niemand es kann. Was schließen wir daraus?
Ganz schön schwerrrr!
Was mich etwas wundert ist, dass ich mich absolut nicht mehr dran erinnern kann, wie ich das gelernt habe. Vielleicht kam es schleichend über die Jahre, und es gab kein Schlüsselerlebnis. Ich kann mich auch nicht mehr an den Moment erinnern, in dem ich eine Oktave greifen konnte. Sei's drum. Dafür kann ich mich an meine erste Dezime erinnern :004:
 
das ist auch relativ egal - weniger egal ist, beschreiben zu können, wie man das macht ;-):drink:
u.U. hätte das eine dem anderen dienlich sein können :003: Ich kann mich noch an vieles erinnern, das ich gelernt habe. Manches aber ist mir so selbstverständlich eingewachsen, dass ich etwas mehr nachdenken muss. Dazu gehört dies und z.B. auch das Pedalspiel. Das braucht zwar auch Zeit im Erlernen, ist aber leichter erklärt und hat später vor allem etwas mit differenziertem Hören zu tun. Im aktuellen Fall ist Hören schön und gut, aber die Ausführung an sich ist halt auch nicht ohne.
Aber ich habe ja schon ein paar nützliche Ideen bekommen (hier und anderswo), die ich ausprobieren kann. Danke dafür.
 
Ich kann mich noch an vieles erinnern, das ich gelernt habe. Manches aber ist mir so selbstverständlich eingewachsen, dass ich etwas mehr nachdenken muss. (…) aber die Ausführung an sich ist halt auch nicht ohne.
...etwas mehr nachdenken schadet nicht. In diesem Fall halt darüber nachdenken, wie du das, was du selber kannst (und zeigen kannst), verständlich beschreiben/versprachlichen solltest.

die Ausführung? ...das ist doch was elementares, gehört zu den "basics": einen Akkord so spielen, dass einer seiner Töne (wie hier halt meist der höchste) als Hauptstimme herausklingt - das ist doch schon dutzendfach aufgedröselt worden und dazu findet sich seitenweise genug Material in den schlauen Büchern - - die du kennst.

...und wenigstens der Einsatz der Melodiestimme in der Reprise ist doch ganz angenehm gestaltet, denn da setzten Melodie und Akkorde nicht gleichzeitig ein, sondern da kommen der Bass und zwei Achtelakkorde voraus:
- da kann man erstmal gucken, wie das klingt;
- dann in diesen Klang nur den ersten Melodieton zufügen und das ausbalancieren;
- dann den ersten Takte mit seinen beiden synkopischen Melodievierteln (2. und 4. Zählzeit) so, dass der jeweils gleichzeitig mit dem Melodieviertel notierte Achtelakkord ausgelassen wird (da hat man wenigstens mal einen einfachen Takt mit fast allen Noten im angemessenen Klang - das müsste dein Schüler hinkriegen; wenn nicht, kicken)

Das Problem ist halt, dass da einer eine manuelle/klangliche Grundlage erarbeiten muss, die er seit Jahren eigentlich längst können sollte, und das ausgerechnet bei einem akuten sauschwierigen Stück (das Nocturne ist im Mittelteil und in der Reprise richtig heavy, die es-Moll Etüde von Rachmaninov ist nicht schwieriger als die Reprise hier...) - - das kann für den betreffenden frustrierend sein, also wäre zwischendurch was leichteres mit demselben Problem nützlich (Schubert op.90 Nr.4 Mittelteil, Chopin op.28 Nr.9 und Nr.17) … und wenn das auch nicht geht, dann das c-Moll Prelude und aus diesem Übungen entwickeln

...trotzdem ist mir rätselhaft, wie jemand den Oktavensturm im Mittelteil hinkriegt, die raschen 16tel-Akkorde in der Reprise, aber dabei keine Melodie herausholen kann...
 
Naja Rolf, ich sage ja nicht, dass der Rest konzertreif ist. Aber dem Studienfach ist es angemessen, und man kann das Ergebnis durchaus als schön bezeichnen. Setz dich mal in Jugend musiziert und stellt fest, was da alles gespielt wird und angeblich gekonnt werden soll.
Ich glaube, mein eigentliches Problem ist, dass ich viel zu wenig Zeit mit den Schülern habe und mich entscheiden muss, was sie lernen und was nicht... Das ist irgendwie unbefriedigend, aber ich kann an der Situation nichts ändern.
 
Vielleicht sollte ich noch stärker nachfragen, wie etwas geübt wird. Ich bilde mir ein, das schon zu tun, aber vielleicht sollte ich noch nachdrücklicher herausstellen, wie essentiell das "wie" ist.

Liebe Blüte,

gesetzt den Fall, du hast in der Stunde zusammen mit dem Schüler eine klangliche Verbesserung erzielt. Dann sollte diese Verbesserung als Impuls dienen, mit dem der Schüler während seiner Übezeit arbeiten und auf der er aufbauen kann.

Wenn das in der nächsten Stunde nicht hörbar ist, muss man aus meiner Sicht den Schüler nicht nur fragen, sondern ihn tatsächlich "vor Ort" üben lassen, so dass du einen direkten Einblick in seine Übestrategien und seine Kunstfertigkeit darin bekommst. So oft ist es ein ganz kleines Schräubchen, an dem man drehen muss, sei es, dass der Schüler Schritte überspringt, die momentan noch für ihn wichtig sind, sei es, dass seine Wahrnehmung in einigen Punkten nicht ausreicht u.v.a.m.. Du lernst den Schüler dadurch auch besser kennen in seiner Arbeitsweise und kannst direkt an wunden Punkten oder ungünstigen Angewohnheiten ansetzen.

Dazu passt ein anderer für mich wichtiger Punkt:

hier mal eine Replik aus Sicht eines Betroffenen.
Ja, bitte! Verstehen und Umsetzen sind zwei Paar Schuhe. Wenn es nicht sofort gelingt, kann es durchaus an mangelnder Motorik liegen. Dann sollte man dem Schüler Tipps mitgeben und ihm bis zur nächsten Stunde Zeit lassen, das zu üben. Mich frustriert es, wenn meine KL sofort ein für sie hörbares Ergebnis erwartet, während ich ihre Vorstellung zwar durchaus verstanden habe, aber es nicht wie gewünscht hinbekomme.

Lieber dilettant,
du scheinst tatsächlich betroffen zu sein! :002: Ich verstehe deine Frustration sehr gut und meine, dass das nicht sein muss. Für mich ist im Unterricht nicht entscheidend und in der Regel auch gar nicht möglich, dass das gesamte Ergebnis besser klingt nach der gemeinsamen Arbeit, sondern eher einzelne Aspekte.

Rückblickend kritisiere ich an meiner Studienzeit, dass viel zuviel auf einmal beachtet werden sollte. Hier noch ein crescendo, da die klangliche Balance, dort bitte eine Zäsur, alles gleich im Tempo und bitte schön entspannt. :008::006: Was tut man da als Schüler? Man verkrampft erst recht, versucht, alles, was der Lehrer sagt, umzusetzen, hört dabei sich selbst nicht mehr richtig zu und achtet nicht mehr auf seinen Körper.

Gerhard Mantel hat aus meiner Sicht sehr recht mit dem "Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit": seine Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer immer nur auf einen musikalischen, klanglichen, technischen Aspekt richten. Dann bleibt noch Raum für Hören und Fühlen.

Das bedeutet, dass es ausreichen muss, wenn im Unterricht der wesentliche Punkt verstanden und umgesetzt wurde. Das wiederum ist aber unerlässlich, denn nur der bessere Klang zeigt den Weg in die richtige Richtung und zeigt, ob ein Problem gelöst wurde.

Das bedeutet aber nicht, dass auch die gesamte Stelle o.ä. sofort besser klingen muss, denn dafür braucht der Schüler dann Zeit, das sehe ich wie du.

Für den Schüler von Blüte (Nocturne) könnte das bedeuten, dass er sich nicht zuviel vornehmen darf, sondern sich Zeit lässt, gerade diesen komplexen Satz schrittweise aufzubauen. Und lernt, durch kluge Übestrategien (Reduktion, Tempoänderung ....) wirklich IMMER klanglich sehr differenziert und klar zu spielen!

Ich hoffe, es nervt nicht, dass ich noch mal auf diese allgemeinen Dinge zu sprechen kam. Jetzt wird's (allmählich) konkreter. :004:

Schüler hat das Stück geübt, spielt es recht ordentlich, hat sich Gedanken darüber gemacht, ist musikalisch. Aber die Melodie kommt nicht raus. Ich merke, dass er innerlich sie hört und verfolgt, leider ist sie aber p und die Mittelstimme f... :011:

Das heißt, es liegt kein Problem in der Klangvorstellung, sondern ein technisches Problem vor.

Auch da habe ich bei vielen auch sehr fortgeschrittenen Schülern festgestellt, dass manche Basics einfach nicht da sind und man als Lehrer ein paar Stunden oder mehr in diese Grundlagen investieren muss.

Das aus meiner Sicht größte technische Problem ist dabei ein ungenügendes Wissen und Können darüber, wie man den Arm beim Klavierspielen einsetzt. Und ein sehr flexibler Arm ist nun mal auch bei diesem Nocturne für die Klangbalance entscheidend.

Manchmal ist so ein Nocturne eben zu schwer, wenn man solche Basics noch nicht beherrscht (s. @rolf) und da muss man dann anders ansetzen, wenn die Transparenz partout nicht klappen will.
Hurra, jetzt wird's endlich total konkret! :009: :003: :023: :026:

Tipps:

1. rolf hat mal das schöne Zitat von Margulis gebracht: suche im forte das piano, suche im piano das forte.

Das macht sehr deutlich, wie sehr man in unterschiedlichen Lautstärken auch denken muss. Viele Schüler lassen sich durch ein geschriebenes piano, pp oder forte zu sehr einengen und werden eindimensional.

2. Blind üben: die Wahrnehmung schulen für "wie klingt es, wie fühlt es sich an".

3. beim Nocturne viel stimmenweise üben: Bässe und Melodie, dann links komplett mit Melodie, alles ohne Melodie etc. In Bezug auf Punkt 1 grob vereinfacht Bässe etwa piano/mp, Melodie forte, innenliegende Stimmen links/rechts ppp

4. rechte Hand lässt bei Melodietönen die entsprechenden Akkorde weg. Das funktioniert auch, wenn alles gespielt wird und nicht nur rechts.

5. Dazu Übungen erfinden mit Melodie und Akkordrepetitionen in einer Hand. Entscheidend dabei ist, nach dem forte-Anschlag der Melodie mit dem Arm (Armbewegung aus Rücken/Schulter nach vorn) Hand und Arm sofort wieder leicht zu machen!

Dein Schüler macht technisch ja irgend etwas falsch und es fragt sich, was. Eine Möglichkeit wäre, dass er Hand und Arm zu schwer lässt, weil er ja oben laut spielen möchte und dann dummerweise die vielen Begleittöne zu laut spielt. Dann hat der arme einzelne Melodieton oben keine Chance mehr. :004:

In dem Fall könnte helfen, sich z.B. aus Takt 49 eine Übung zu machen, also den Melodieton forte anzuschlagen mit einem deutlichen Armschwung nach vorne. Dann warten und Hand und Arm so leicht wie möglich machen, erst dann ganz leise ppp-Akkordrepetitionen dazu spielen. Das bei vielen anderen Stellen ebenso machen. Später weniger warten bzw. gleichzeitig spielen.

In dem Fall wäre also die mangelnde blitzschnelle Entspannung und Flexibilität das Problem und müsste geübt werden.

6. Sehr wichtig ist auch die Hand-/Armstellung! Ich gehe da deutlich weiter als @Stephan, der vielleicht aber dasselbe meint. Manche Schüler haben bei vollgriffigen Sätzen eine Tendenz, Hand und Arm in Richtung Daumen auszurichten. Das ist hier und auch anderswo aber fatal und sorgt dafür, dass die Hand Richtung Daumen eben zu schwer und zu laut wird.

Wichtig ist es hingegen, den 5. Finger als Melodiegeber mit dem Arm zu unterstützen! Dann blitzschnell leicht machen und den Arm ein bisschen in Richtung Akkorde bewegen, den nächsten Melodieton wieder mit dem Arm vorbereiten. Der Arm gibt also Impulse nach vorn (Melodie), pendelt flexibel und frei schwingend hin und her, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden (Melodie, schnelle, sehr leise Akkordrepetitionen) und vibriert noch wegen der Repetitionen sacht und anstrengungslos.

7. Bei den Repetitionen könnte ein weiteres technisches Problem vorliegen: vielleicht wird der Schüler starr und dann kann man nicht mehr leise spielen.

Auch zu diesem möglichen technischen Problem kann man eigene Übungen erfinden. Wichtig ist, dass bei Repetitionen der Arm immer in einer Art Wellenbewegung ist, die man im Endtempo kaum sieht.

8. Sehr wichtig bei jeder Art von verschiedenen Lautstärken in einer Hand ist die Empfindung für den Auftrieb und Tiefgang der Taste! Wenn wir verschiedene Lautstärken in einer Hand spielen, spielen wir immer auf verschiedenen Tastenniveaus. Den Weg der Taste von oben bis unten sollte man auskosten und ausnutzen.

Vergleichbar sind Beispiele oder Metaphern wie "Standbein-Spielbein" (du hattest ja auch schon das Skifahren erwähnt), oder eine Waage/Wippe mit verschiedenen Gewichten, Vergleiche mit einer dicken Matratze, in die man unterschiedlich einsinkt, ich hatte auch schon mal "Schlauchboot-U-boot". :004:

Auch hier könnte eine mangelnde Wahrnehmung beim Schüler vorliegen. Feuchtwanger-Übungen können helfen.

Leider wieder ein langer Beitrag, aber solche Dinge sind oft sehr komplex. :001:

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich glaube, mein eigentliches Problem ist, dass ich viel zu wenig Zeit mit den Schülern habe und mich entscheiden muss, was sie lernen und was nicht... Das ist irgendwie unbefriedigend, aber ich kann an der Situation nichts ändern.

Das verstehe ich gut.
Ein probates Mittel, diese Fertigkeiten zu schulen ist, die Schüler improvisieren zu lassen und das Augenmerk auf eine bestimmte Thematik zu setzen.
So gebe ich gerne Improstücke auf mit z.B. folgenden Inhalten:
  • Eine Hand staccato, die andere legato, Hände wechseln, dann die Wechselabschnitte verkürzen.
  • Hände überkreuzen
  • In einer Hand Geläufigkeit, die andere spielt Metrum oder Rhythmen
  • Melodien herausarbeiten wie im Beispiel oben (siehe mein letzter post).
Das Schöne an Improvisationen - egal welche Töne, Hauptsache Aufgabe wird erfüllt - ist, daß man sich genau darauf konzentrieren kann, was klangtechnisch gefordert ist.
Jede Woche eine solche Aufgabe mit auf den Weg geben.
Funktioniert gut und nachhaltig.
 
Also im Kratzert gibt es dazu ein ausführliches Kapitel. Als Einstiegsbeispiel Kleine Romanze (wieder (sic)Schumann), besonders da hier "nachschlagend" die Begleitung in einer Hand läuft. Dem gehen Basisbewegungen zum Herausarbeiten des technischen Knowhows, mit verschiedenem Armgewicht auf den Fingern einer Hand ( dabei spielt die Beweglichkeit aus Ellbogen und Handgelenk in vertikaler Richtung eine Rolle, Oberarm soll hier möglichst ruhig bleiben.)
Kratzert unterscheidet in den Basics zunächst in 4 Arten der Mehrstimmigkeiten:
- Melodie und Begleitung
- Akkorde (fortschreitend)
--Polyphonie
-Klangschichten
also insgesamt ein sehr komplexes Thema.......
 

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