Hallo @EMoll
Ich spiele sehr viel Klavier, weiß, worauf es ankommt, und worauf man beim Spielen achtet. Trotz allem ist Klavierspielen eine körperliche Belastung, auch wenn es Spaß macht.
Ich habe einen beidseitigen Tremor in den Händen. Laut einem Neurologen ist es ein essentieller Tremor, obwohl ich keinen typischen Haltetremor habe. Laut einer Neurologin ist das eine fokale Dystonie, aber bei mir fehlt der typische Krampf in diversen Fingern, und fokale Dystonien treten eigentlich nur einseitig auf. Meine Ergotherapeutin hat über diese Diagnose lauthals gelacht. Also, man sieht wieder mal: Eine Erkrankung, fünf Meinungen.
Ich bin ein - nur körperlich - verkrampfter Mensch, der schlecht lockerlassen kann. Mein "Muskeltonus" ist sehr hoch. Zur Zeit bin ich bei einer Therapeutin, die die gewissen Triggerpunkte in den Armen behandelt, und es ist wirklich irre, wie fest das alles ist. Und ich habe nach jeder Behandlung ein aaaaahhhh-Gefühl, weil das alles lockerer ist. Beim Spielen habe ich den Eindruck, dass ich wieder wesentlich länger spielen kann, bevor das Zittern zu stark wird.
LG Antje
Das finde ich als Medizinerin sehr interessant, da ich zur fokalen Dystonie mal geforscht habe bzw. darüber Vorträge halten "musste" (wir sollten uns mit einem Bereich an der Schnittstelle Psychologie und Medizin auseinandersetzen; "fokale Dystonie" stand zur Auswahl, obwohl es vor allem ein neurologisches Problem zu sein scheint). Grundsätzlich gilt für die fokale Dystonie:
- Ja, Prävalenz ist vor allem unter klassischen Pianisten am höchsten. Der durchschnittliche Betroffene ist männlich, von mittlerem Alter, spielt Klassik und Klavier. (Was nicht heißt, dass die fokale Dystonie nicht auch bei anderen Instrumenten/weiblichen Musikern vorkommen würde)
- Charakteristika, die die Erkrankungswahrscheinlichkeit erhöhen, sind: Perfektionismus, eine hohe Übeintensität, ein hohes Leistungsniveau, hoher Leistungsdruck (da kommen die psychischen Faktoren ins Spiel)
- Zu den Ursachen wird noch intensive Forschung betrieben; grob gesagt geht man von einer multifaktoriellen Pathogenese aus, die eine Störung im Bereich der Basalganglien und der sensomotirischen Integration, eine Veränderung der kortikalen Repräsentation und eine dysfunktionale Plastizität neben psychosozialen und genetischen Risikofaktoren beinhaltet.
- Erstsymptomatik zeigt sich eher unspezifisch und wird häufig als "mangelhafte Technik" fehlinterpretiert; daraufhin verstärkt stattfindendes Üben verschlimmert die Symptomatik
- Ein "Krampf" muss nicht unbedingt Bestandteil der Symptomatik sein, sie ist äußerst variabel und unspezifisch! Das wäre kein Ausschlusskriterium.
- Dass die Symptomatik auf beiden Seiten auftritt, spricht in der Tat eher gegen diese Diagnose
- Die fokale Dystonie tritt aufgabenspezifisch auf. Hier wäre es differentialdiagnostisch hilfreich, zu wissen, ob Du bei anderen Tätigkeiten, die die Hände/Finger/obere Extremität beanspruchen, ebenfalls einen Tremor beobachten kannst oder allein beim Klavierspiel!
Am besten, Du gehst einmal zu einer Universitätsklinik, die auf Bewegungsstörungen spezialisiert ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die meisten Allgemeinmediziner oder auch Neurologen eine fundierte Kenntnis davon besitzen (was ja auch nicht so schlimm wäre, wenn sie Dich dann im Zweifelsfall an entsprechende Fachpersonen überweisen würden).
Du kannst Dich auch gerne per PN an mich wenden, wenn Du Fragen hast/Empfehlungen brauchst.
Alles Gute!