Regeln ohne Sanktionsmöglichkeit bei Zuwiderhandlung sind keine Regeln, sondern Flachwitze.
Viele wünschen sich (das glaube ich zumindest) ein Szenario abseits von Extremen: Wenn einst Eltern von unangemessenem Verhalten ihrer Sprösslinge in der Schule erfuhren, gab es bei der ersten Begegnung zu Hause gleich die nächste Tracht Prügel. Inzwischen drohen manche Eltern den Lehrern bei Beschwerden über die Auswirkungen ihrer fehlenden Erziehung im Schulleben mit Post vom Rechtsanwalt wegen seelischer Misshandlung Minderjähriger. Ein angemessenes Maß an erzieherischer Einwirkung liegt mit Sicherheit abseits der Glorifizierung von Lehrermacht einerseits und Schülermacht andererseits.
Wenn man ein wenig weiter schaut, stellt man fest, dass es keineswegs zu wenige Regeln gibt. Es hapert eher vielerorts an der Fähigkeit, das Regelwerk in angemessener Weise anzuwenden.
Mehrere Klassen pro Stufe gibt es sowieso - ich hielte es für besser, die notorischen Störer in einer (oder mehr als das) Klasse zusammenzufassen, damit die normalen ungestört und freudig lernen können.
Einerseits trifft es zu, dass das Leistungsvermögen einer Gruppe durch die problematischen Mitglieder nachhaltig geprägt wird - eine Kette ist nur so reißfest wie ihr jeweiliges schwächstes Glied. Andererseits ist eine gewisse Inhomogenität einer Gruppe zunächst nicht nur negativ zu bewerten, da innerhalb eines gewissen Spielraums durchaus Schwächere von Stärkeren profitieren können und umgekehrt: Die Stärkeren lernen Verantwortung zu tragen und Führungsaufgaben an der Realität auszurichten und die Schwächeren werden. Die Schwächeren werden hingegen zur stetigen Anstrengung und Leistungsbereitschaft innerhalb ihrer individuellen Möglichkeiten angehalten. Allerdings hat die Inhomogenität Grenzen: Irgendwann sind die Leistungsunterschiede zwischen den Ersten und den Letzten so groß, dass sich beide Extreme wechselseitig blockieren. Die Starken werden in ihrer Weiterentwicklung gebremst und die Schwachen erreichen auch bei maximalem Bemühen kein von der Gegenseite anerkanntes Mindestniveau.
Das in früheren Zeiten geschätzte dreigliedrige Schulsystem (Hauptschule für handwerklich Begabte, Realschule für verwaltungstechnisch Begabte und Gymnasium für wissenschaftlich Begabte) hat den jeweiligen unterschiedlichen Persönlichkeitstypen besser Rechnung getragen, als es "moderne", auf Gleichmacherei bedachte Politik heute suggeriert. Der Übergang zwischen verschiedenen Schultypen war bei Schwerpunktverlagerung nicht einfach, aber durchaus realisierbar.
Soweit möglich, sollten Extreme nicht der gesellschaftlichen Realität gänzlich entzogen werden: Hochbegabte und Überflieger verlieren jede Bodenhaftung, in Gefängnisse und Anstalten weggesperrte Außenseiter hingegen wachsen unter ihresgleichen bestenfalls zu perfekten Kriminellen heran - deshalb ist eine Separierung in voneinander getrennte Gruppierungen mit Sicherheit erst im letzten Entwicklungsstadium sinnvoll. Es wäre sinnvoller, es gar nicht so weit kommen zu lassen, indem man etwa als Eltern die Erziehungsarbeit an die Schulen abdelegiert.
Mit der Musikerziehung läuft es vielfach ähnlich ab: Im ersten Lebensjahrzehnt wird Interesse an Musik geweckt oder verschüttet und in den folgenden Jahrzehnten diese Entscheidung mehr oder minder stark zementiert. Die Existenz von Spätanfängern im Erwachsenen- oder im Seniorenalter spricht keineswegs gegen die These mit dem frühen Anfang. Auch hier mitschreibende Spätanfänger berichten oftmals von einer Überlagerung der ursprünglichen Aufgeschlossenheit für Musik durch äußere Faktoren wie die elterliche Ablehnung, eine entsprechende musikalische Ausbildung zu fördern. Wenn sich der ursprüngliche Wunsch dann wieder bemerkbar macht, sich musikalisch zu betätigen, ist er in praktisch jedem Lebensalter in individuellem Umfang wieder realisierbar. Besser spät als nie - diese Maxime sollte für musikalische wie außermusikalische Lernprozesse immer gelten. Dazu muss man sich weder auf den
stillen noch auf den
elektrischen Stuhl setzen.
LG von Rheinkultur