Mein Vater war Grund- und Hauptschullehrer (Schulleiter), zusätzlich zeitweise als Sportler und im medienpädagogischen Bereich tätig. Man kann behaupten, dass er seine Aufgaben mit viel Kompetenz und Engagement erledigt hat und nicht diversen Beamten-Klischees entsprach, indem er sich aufs Allernötigste beschränkt hätte. Nachdem das Einzugsgebiet der letzten Schule, an der er vor seiner Pensionierung tätig war, zunehmend zum "sozialen Brennpunkt" verkam, häuften sich unerfreuliche Vorkommnisse der unterschiedlichsten Art. In meinem Falle war es inzwischen klar, dass ich eine professionelle Laufbahn als Musiker einschlagen würde. Mein Vater gab mir lediglich einen Aspekt zu bedenken: Ich möge (O-Ton) nie so blöd wie er sein und in den Schuldienst gehen. Nehmen wir ein wenig Verbitterung und Zynismus von dieser Aussage weg, so bleibt etwas, worüber man in der Tat nachdenken müsste, wenn man sich heutzutage mit dem Gedanken trägt, Lehrer zu werden: Für die von einem unterrichteten Fächer dürfte man sich mit Sicherheit aus persönlichem Interesse an deren Inhalten entschieden haben. Wenn man dann mehr Anstrengung auf die Durchsetzung von diszipliniertem Verhalten im Unterricht als auf die Vermittlung fachlicher Inhalte verwenden muss, hat das in jedem Falle Konsequenzen für die Lehrerausbildung, die ja im Interesse aller praxisgerecht erfolgen sollte.
Eine Renaissance der Rohrstock-Pädagogik gegen Disziplinprobleme? So einfach funktioniert das nicht. Als die körperliche Züchtigung im Klassenzimmer noch nicht verboten war, galt bereits der ausgiebige Gebrauch des Rohrstocks als pädagogisches Versagen - denn es entsprach keineswegs der Realität, dass seinerzeit in den Schulen mehr geprügelt als unterrichtet wurde. Dazu passt eine Anekdote von einer Schulinspektion, deren Quelle mir leider nicht mehr bekannt ist: Die unbefriedigenden Kenntnisse der Schüler kommentierte der Schulinspektor mit der Bemerkung, der Wissensstand sei schlicht und ergreifend nur "Stückwerk". In der Folgezeit verschärfte der Schulmeister seinen Erziehungsstil drastisch und vor lauter Angst vor drakonischen Strafen wurde und blieb es im Klassenraum mucksmäuschenstill. Beim nächsten Unterrichtsbesuch des Schulinspektors fragte der Lehrer, ob nun immer noch die Rede von "Stückwerk" sein könne. Der Schulinspektor verneinte: "Stückwerk" könne man nicht mehr sagen. Richtig müsse es heißen: "Stockwerk"...!
Es fehlt also am Bewusstsein, dass es Grenzen gibt und diese auch eingehalten werden. In früheren Zeiten kam es zu Missbrauch künstlich aufrecht erhaltener "Autorität", die in Wahrheit Unfähigkeit war. Inzwischen läuft es auf das umgekehrte Extrem hinaus: Die einstigen "Schwachen" sind so weit "gestärkt" worden, dass die einstigen "Starken" auch jene vernünftige Autorität nicht mehr durchsetzen können, ohne die ein guter Unterricht gar nicht funktionieren kann. "Demokratie" führt sich selbst ad absurdum, wenn vor lauter Gerede und Diskutieren nicht mehr gehandelt werden kann.
LG von Rheinkultur