Liszt notiert ja anstelle des Tristan-Akkords nur einen gewöhnlichen verminderten Septakkord. Ein "echter" Tristan-Akkord wäre in diesem harmonisch recht konventionellen Lied auch eher unpassend.
Was den Liszt betrifft, an den Wagner geschrieben hatte "
durch dich bin ich harmonisch ein ganz anderer Kerl geworden" (sinngemäß zitiert), so findet sich der "Tristanakkord" als harmonische Weichenstellung und als Leittonakkord ziemlich oft in der h-Moll Sonate. Diese Sonate erblickte das Licht der Welt vor dem Tristan. Wagner kannte die Sonate und schätzte sie sehr!
Nein nein, f-h-#d1-#g1 kommt da nicht vor - aber als leittönige Vorhalte tauchen da alle Nase lang Septakkorde der II. Stufe der Mollskala (und das ist das Material des Tristanakkords!) auf und werden gänzlich anders als zuvor, nämlich leittönig, eingesetzt.
Überhaupt erweist sich die h-Moll Sonate
im Detail als deutlich "fortschrittlicher" als die Tristanharmonik: da finden sich viel schärfere Dissonanzen und viel verblüffendere Akkordprogressionen als im Tristan!
Aber diese den Tristan vorwegnehmende Harmonik macht nur ca. 30% der Sonate aus, die anderen 70% sind cum grano salis "traditioneller", diatonischer.
Das ist ja das ulkige an all den harmonischen Besonderheiten des Tristan (Leinttonharmonik, Dissonanzen usw.) - man findet
ihre Details schon vor Wagner bei Beethoven, Weber, Berlioz, Chopin, Schumann, Liszt - aber niemand vor Wagners Tristan hat ein umfangreiches Werk komponiert, dass zu 90% der Spieldauer auf traditionelle Kadenzen und Diatonik verzichtet (!!) Nicht das Detail (Leittonharmonik, Dissonanzenketten, Chromatismen etc.) ist neu, sondern die effektvolle, nahezu ausschließliche Verwendung (sehr hübsch der Kommentar, dass innerhalb des Tristans traditionelle Kadenzharmonik (die es da auch gelegentlich gibt) geradezu falsch klingt - vgl. Pahlen)