Sehr schön gespielt. :)
Man merkt, dass du etwas ausdrücken möchtest mit dem Stück. Du phrasierst sehr schön, lässt das Nocturne atmen und vor allem fließen. Es ist schwer auszudrücken, aber es klingt einfach frei, so, als würdest du mit deinem Kopf nicht bei deinen Fingern, sondern nur beim Klang sein.
Ich hab mich zwar nie näher mit dem Stück beschäftigt, hab mir aber dank deiner Einspielung mal etwas die Noten angeschaut, und hab vielleicht einige (intuitive) Vorschläge. Oft weiß ich allerdings nicht, ob es vielleicht eher an dem schlechten Aufnahmegerät liegt... Es wär schön, wenn du's noch mal in besserer Qualität aufnehmen könntest!
Für mich hat das Nocturne etwas sehr Mystisches, was insbesondere an dem Anfangsmotiv liegt. Ich selber würde, auch wenn Chopin nur p schreibt, wie aus dem Nichts kommend anfangen, sowohl dynamik- als auch tempobezogen. Es darf keinesfalls stolpern, aber sollte durchaus vorsichtig und behutsam klingen (aber nicht ängstlich!).
Allgemein zur linken Hand vielleicht: Du hast manchmal die Tendenz stehen zu bleiben, insbesondere auf der 1. Das empfinde ich, gerade vor dem Hintergrund des Flusses, als aufhaltend, ich komm ein wenig ins Stolpern. Zum Beispiel bei 1:10 oder 1:15 und auch im Mittelteil (3:02, 3:21). Das soll nicht heißen, dass du ohne Rubato spielen sollst, ganz im Gegenteil, ich würde im Mittelteil wahrscheinlich noch ein wenig mehr Rubato spielen. Aber jede Veränderung muss fließend sein! Schwerpunkte an sich zu setzen, inne zu halten, ist sehr wichtig, aber man sollte darauf vorbereiten und wieder fließend weiterschreiten. Manchmal gibt es natürlich Momente, wo solche plötzlichen Zäsuren passend sein können, wenn man jedoch eine gleichmäßige Begleitfigur links hat und einfach die erste Note etwas verlängert, und man bei der zweiten sofort wieder im Ursprungstempo ist, dann schreck ich als Hörer mental ein wenig hoch. ;)
Der Mittelteil ist, glaube ich, wohl der schwierigste Teil des Stücks, weil er, wie im Fantaisie-Impromptu oder beim h-moll-Scherzo so wiederholend ist, sodass man im schlimmsten Fall als Zuhörer davon genervt ist. So ist es bei dir natürlich nicht, aber du kannst dich vielleicht ein wenig mehr trauen, vor allem, einen großen Bogen zu setzen. Wichtig ist vor allem zu variieren, damit der Hörer gar nicht unbedingt merkt, dass sich vieles wiederholt. Die Kunst dabei ist, nicht zum Selbstzweck zu variieren, sondern durchaus mit Konzept. Ich würde noch leiser anfangen, ganz zart, mit una corda (ich kann nicht genau hören, ob du's benutzt), und Teil für Teil dynamisch mich steigern. Und auch wenn Chopin bei dem b-c-des-Motiv immer forte schreibt, würde ich abstufen und nicht alles gleich laut spielen (hast du eine Ahnung, warum Chopin erst in Takt 35 beim es forte schreibt anstatt beim b in 33?). Ab 3:21 hab ich subjektiv den Eindruck, dass du noch leuchtender, offener spielen könntest...mag aber auch sein, dass das an den Grenzen deines Aufnahmegeräts liegt. Genauso das Echo in 3:40, Chopin schreibt pp und es ist eine tolle Wirkung, wenn nach dem con forza plötzlich ganz sanft ein Echo am anderen Ende der Dynamikskala erscheint.
Die Stelle ab 3:54 ist für mich ein Nachhall, eine Erinnerung. Wie bei allein extremen Stellen, kann ich hier auch akustisch nicht so ganz genau hören, wie du spielst, aber ich finde, hier klingt es schön, wenn es im Gegensatz zu einigen Takten vorher ganz und gar nicht leuchtet, es sollte einfach eine sanfte, leicht wehmütige Erinnerung sein, una corda und nicht zu dick! Die Akustik scheint schwierig gewesen zu sein in dem halligen Raum, gerade dann muss man bei sehr leisen und zarten Stellen aufpassen, dass man das Pedal nicht voll durchdrückt, sondern gerade so, dass es nur ein wenig bindet, weil es sonst oft zu matschig klingt. Und auch zu laut...denn ein Pedal bindet ja nicht nur, es verstärkt auch dynamisch, dadurch, dass alle Dämpfer oben sind und alle Saiten schwingen können.
Beim Übergang zum Anfangsmotiv hälst du in meinen Augen zu stark an. Ich würde vermutlich etwas später langsamer werden und dann vor allem beim direkten Übergang zwar langsamer werden, aber nicht wirklich anhalten, das stört dann wieder so sehr den Fluss und man läuft Gefahr, dass man anfängt die linke Hand zu buchstabieren. Es geht mir überhaupt nicht um dein Tempo, das finde ich total in Ordnung, vermutlich würde ich das Anfangsmotiv noch langsamer spielen. Aber die Übergänge sollten graduell sein, am besten ein fließender Übergang, so, dass man metrisch kaum einen Übergang merkt.
Bei 5:10 bis 5:13 finde ich es toll, wie du den Moment auskostest, aber du darfst ihn ruhig noch ein wenig länger auskosten! Beim ces bist du schon wieder zurück auf dem Boden der Tatsachen, dabei schreibt Chopin dadrüber sogar einen Ausdrucksakzent! Im Anschluss danach wirst du schon sehr langsam. Vielleicht ist das auch gerade schön, um den Kontrast zum ff bei 5:32 zu haben, ich würde aber wohl noch nicht so sehr die Puste herausnehmen, jedenfalls nicht so sehr, dass es aufhört zu fließen und zum stehen kommt. Und im Gegenzug würde ich 5:32 nicht so schnell abbauen, für mich ist das ein Aufblitzen, ein letztes (erfolgreiches?) Aufbäumen gegen die Tristheit, bevor es dann picardisch endet. Die erste Hälfte von Takt 83 kann doch eigentlich ruhig noch glänzen, bevor es dann Stück für Stück abbaut.
In Takt 8 vermisse ich übrigens einen Vorschlag vor dem b, in Takt 22 meine ich vor dem f ein as zu viel zu hören. :p
All die Kritik soll aber überhaupt nicht bedeuten, dass es schlecht gespielt ist, ganz im Gegenteil! Es sind schließlich alles nur Feinheiten, mit denen nur der etwas anfangen kann, der das Stück schon sehr gut spielt, quasi hier und da kleine Verbesserungsvorschläge. Und ich glaube, du wünscht dir ja auch sowas in der Art.
Meine Lieblingsaufnahme von dem Nocturne ist übrigens von Ashkenazy. Der Sound ist zwar (wie bei den meisten seiner Aufnahmen leider...) nicht so wirklich toll, aber er spielt es unglaublich toll, sehr intim, und trotzdem an den richtigen Stellen offen und leuchtend. Aber wie gesagt, ich hab mich anders als du kaum mit dem Stück beschäftigt, vielleicht ist ja alles, was ich sage, haltlos. ;)
Alles Liebe