Klangverhalten in Worte zu fassen scheint immer schwierig und auch recht subjektiv zu sein. Was für manchen dumpf erscheint, empfinden andere als warm. Brillanz kann begeistern, aber auch als schrill und aufdringlich empfunden werden. Und ... so fort.
Ich habe bei meiner Suche nach "meinem" Klavier auch die gängigen Seilers probiert. Vom Johannes über den Eduard bis zum Seiler Primus. Dabei kann ich nur vom Gegenteil berichten. Für mich war das Johannes jenes mit dem brillantesten Klang, die Brillanz nahm dann nach oben hin deutlich ab. Aber ... das Johannes war für mich übertrieben brillant, zu modisch und der Klang insgesamt viel zu konstant. Das Eduard dagegen kompromissbereiter, nicht ganz so aufdringlich, um nicht zu sagen: Nicht ganz so digi-mäßig. Und das Seiler Primus klang beim ersten Eindruck tatsächlich eher dumpf, fast erschreckend. Das war ganz am Anfang meiner Suche!
Als ich später das Seiler Primus wieder traf, klang es plötzlich nicht mehr so dumpf. Eher verhalten, in den Mitten sehr warm, die hohen Lagen angenehm unschrill, aber die Bässe für meinen Geschmack zu zurückhaltend und gedämpft. Also der Eindruck schon etwas differenzierter, nicht einfach nur "dumpf" wie anfangs. Und nachdem ich viel Zeit hatte mit allen zu spielen, kam ich dahinter, dass ich mit dem Primus Klänge formen konnte, während die Kollegen mit Vornamen für mich wenig formbar waren - um das jetzt mal rein auf den Klang zu beschränken und Spielbarkeit außen vor zu lassen.
Im Verlauf meiner Suche habe ich ziemlich viele Markenpianos unter meinen Fingern gehabt. Immer mit dem Glück, dass jeder Händler meinte, ich soll in aller Ruhe probieren, solange ich Lust habe und auf jeden Fall immer "mindestens einmal darüber schlafen". Was ich mit allen Seilers, Sauters, Schimmels, Yamahas, Kawais und Rönischs tat, die mich auch geduldig ließen. Und ich entschuldige mich bei allen Marken, die ich aufzuzählen vergaß.
Ganz wenige sind beim ersten Anspielen aus der Auswahl gefallen. Die meisten haben eine zweite und eine dritte Chance bekommen. Dabei sind immer ein paar Tage zwischen den Versuchen verstrichen. Bei vielen davon hat sich der Klang für meine Ohren nach einigen Besuchen doch deutlich geändert. Wie sich auch mein Empfinden, wie Klaviere klingen können und sollen, während dieser Tour deutlich verändert hat. Wahrscheinlich übertrieben, aber ich denke doch, dass sich mein Gehör dafür ein wenig geschärft hat.
Letztlich half aber alles nichts, DAS Klavier war einfach nicht dabei. Keine Liebe auf den ersten oder zweiten Blick. Schöne Klaviere, aber keins davon MEINS.
In meiner großen Ungeduld - jetzt suche ich schon lange, will endlich haben - hätte ich mich eigentlich für einen Kompromiss entschieden gehabt. Wäre ich nicht über ein Klavier gestolpert. Kein schwarzer Hochglanzlack, über 90 Jahre alt, keine perfekte Tastatur, aber ... der Klang ... ein Tor in eine andere Welt ... Liebe aufs erste Hören ... MEINS!
Vernünftig geblieben, einen Tag darüber geschlafen, nochmal probiert, noch einmal drei Vernunfttage eingeschoben, von diesem Klavier geträumt, gekauft und glücklich damit.
Ich kann also, wie viele andere hier, nur empfehlen, sich sehr viel Zeit zu nehmen, viel zu probieren und viel Geduld mit zu bringen. Mit etwas Glück (das braucht es wohl auch) ist man dann bei dem EINEN Klavier angelangt. Und kann sich, wie in meinem Fall, vielleicht sogar einige Tausender ersparen.
Gerade wenn man vom Digi umsteigt und nur dieses eine Klavier aus der Klavierstunde kennt, braucht es halt einige Zeit, bis sich die Ohren langsam für die doch große Klangwelt der verschiedenen Klaviere öffnen. Diese Zeit sollte man sich gönnen und das auch als großen Spaß betrachten ... auch wenn es schwerfallen mag ;)