Als Musiker einer Gewerkschaft beitreten?

Lieber @tilo,

deinen Beitrag (Doppellike!) mit dem absolut hervorragenden Till Brönner muss ich hier nochmals posten!


Danke vielmals!!!

chiarina
 
@chiarina heißt das, dass diese Regelung unabhängig von der verdienten Summe gilt? D.h. wenn jemand im Lehrauftrag 500 Euro im Monat verdient und insgesamt sind es mit Nebeneinkünften 900, besteht dieses Anrecht? Warum klagt es dann keiner ein?
 
@chiarina heißt das, dass diese Regelung unabhängig von der verdienten Summe gilt? D.h. wenn jemand im Lehrauftrag 500 Euro im Monat verdient und insgesamt sind es mit Nebeneinkünften 900, besteht dieses Anrecht? Warum klagt es dann keiner ein?

Ja, so habe ich das verstanden. Wenn du ein Drittel deines Einkommens bei einem Arbeitgeber verdienst, giltst du als "arbeitnehmerähnliche Person" und hast Sonderrechte. Eine Gewerkschaft wäre dann vielleicht sinnvoll. Aber leider fragst du die Falsche - ich habe das auch leider nur gelesen und kenne ich mich überhaupt nicht aus. Ich habe aber den Eindruck, dass mehr drin ist als momentan realisiert wird.

Liebe Grüße

chiarina
 

Das ist ein weites Feld....


 
Ja, so habe ich das verstanden. Wenn du ein Drittel deines Einkommens bei einem Arbeitgeber verdienst, giltst du als "arbeitnehmerähnliche Person" und hast Sonderrechte.

Wenn es dabei aber um eine Lehrbeauftragtentätigkeit an Uni oder MH geht, empfiehlt sich vor der Einleitung juristischer Schritte ein Blick ins jeweilige Hochschulgesetz und Hochschulpersonalgesetz des Landes samt daranhängender Vorschriften. Da gibt es eine Menge Einschränkungen normaler arbeitsrechtlicher Bestimmungen (am bekanntesten die Höchstbeschäftigungsdauer mit Zeitvertrag und das Kettenvertragsverbot), die es dem Dienstherrn ermöglichen, sich von sozialen Verpflichtungen jeder Art freizusprechen. Im Falle der Lehrbeauftragten ist das Schlüsselwort das "Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis". In einer rezenten Stellungnahme der GEW zur Situation der Lehrbeauftragten in Bayern (die sich nicht substantiell von der in anderen Bundesländern unterscheidet) wird die Problemlage klar umrissen (S. 5ff):

Durch das öffentlich-rechtliche Verhältnis der Lehrbeauftragten zum Freistaat Bayern unterliegt ein Lehrauftrag weder den geltenden zivilrechtlichen Regelungen noch müssen die Hochschulen bzw. der Freistaat Bayern sozialrechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Konkret bedeutet dies, dass den Lehrbeauftragten die bei beamten- und arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnissen üblichen Leistungen wie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, bezahlter Urlaub oder Kündigungsschutz nicht zustehen. Nicht einmal die Regelungen des Mindestlohns greifen für sie. Ebenso wenig besteht bei Lehraufträgen eine Sozialversicherungspflicht für die Hochschulen, d. h. diese leisten keine Arbeitgeberbeiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung. Die Lehrbeauftragten selbst unterliegen jedoch der Rentenversicherungspflicht als ‘selbständig tätige Lehrer’ gemäß SGB VI § 2 Satz 1 Nr. 1 und müssen dafür den vollen Beitragssatz von 18,7%, d. h. inklusive Arbeitgeberanteil, tragen. Gleichermaßen zählt die Lehrvergütung zu den beitragspflichtigen Einnahmen, wenn sie als freiwillige Mitglieder gesetzlich kranken- und pflegeversichert sind, woraus sich eine Beitragsbelastung von insgesamt etwa 37% ergibt (Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung).

Die Situation ist prinzipiell ungut, weil die Länder durch das Lehrbeauftragtensystem immer mehr reguläre Stellen einsparen und dadurch gut qualifizierte (jedenfalls oft) Leute in ein prekäres Beschäftigungsverhältnis drängen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ihr Lieben,

ich melde mich jetzt auch mal zu Wort. Ich finde, eure Beiträge hier zeigen ziemlich deutlich da Fragezeichen, was Musiker*innen in diesem Punkt oft haben sogar bis hin zu Berührungsangst mit Gewerkschaften - das war bei uns auch so, ABER! Ich versuche mal zumindest auf ein paar Punkte einzugehen :)

Kurz vorab: Ich war bis Mitte letzten Jahres Honorarkraft an unserer kommunalen Musikschule hier tätig, zudem habe ich Privatunterricht gegeben. An der Musikschule - ein offenes Geheimnis - wurden wir ja alle gnadenlos unterbezahlt, keinen Cent Geld im Krankheitsfall oder in den Schulferien (das allein sind verdammte 3 Monate im Jahr, in denen deine Ausgaben wie Miete, Lebenshaltung, Versicherungen usw. weiterlaufen, du aber keine Einnahmen hast...), kein Mutterschutz, unterirdische Kündigungsfristen, keinerlei Mitbestimmungsrechte und und und. Aber man nahm das zähneknirschend hin - "kann man ja sowieso nicht ändern...". Doch, kann man. Das war der Punkt, an dem wir uns begonnen hatten zusammenzufinden im "forum für Honorarkräfte der Rheinischen Musikschule Köln" und der Startpunkt für eine ganz neue Kraft: raus aus der Vereinzelung und dem Denken, man könne sowieso nichts ändern oder schlimmstenfalls sogar man müsse eher die Klappe halten und froh sein Arbeit zu haben als Musiker*in. Auch wir hatten anfangs gedacht, dass es für uns ja sicher keine Gewerkschaft geben würde - aber falsch, denn die ver.di ist unsere zuständige Gewerkschaft. Nachdem die KuK anfangs sogar Berührungsängste mit der Gewerkschaft hatten und auch damit, dass man an die Politik heran müsse, um da was zu ändern ("oh je, Politik, nee, das können wir nicht machen - wir machen einfach ein Konzert und malen ein paar Plakate"...) sind immer mehr KuK der ver.di beigetreten und wir haben mit der Unterstützung unserer Gewerkschaft einen riesen Stein ins Rollen gebracht. Ich war damals zusammen mit einem Kollegen Sprecherin des forum für Honorarkräfte und hab diesen Arbeitskampf angeführt und mit dazu beigetragen, die KuK zu organisieren. Wir haben schlussendlich über 1,3 Mio. Euro pro Jahr mehr für unsere Musikschule erkämpft, 19 (!) neue TVöD Stellen und 40% Honorarerhöhung für die im Honorarverhältnis verbleibenden Lehrkräfte. ver.di hat uns dabei auf ganz verschiedene Arten geholfen: zum Einen die nicht zu unterschätzende Möglichkeit, dass man sich als Gruppe dort im Gewerkschaftshaus treffen kann - die wenigsten hätten sich in der Musikschule selbst, also beim Arbeitgeber, treffen wollen und Geld einen externen Raum in der Größe anzumieten, hatten wir ja keins. Dann natürlich die rechtliche Beratung (sowohl für Honorarkräfte als auch für TVöD Leute). Oder Unterstützung, wenn wir zB eine Aktion gemacht haben - dann konten wir die Flyer über ver.di drucken lassen (denn Geld hatten wir ja immer noch keins...) und ver.di hat bei der Organisation geholfen. Oder wir konnten natürlich über ver.di deutlich besser Druck in der Presse machen - es ist einfach etwas Anderes ob die Presseleute eine Pressemitteilung einer Gewerkschaft bekommen oder ob sie denken, och ja, da sind 3 Musikschulleute, die sich irgendwie aufregen. Gewerkschaft, da ist sofort klar, huch, ok, da ist wohl wirklich irgendeine Kacke am dampfen, das schauen wir uns mal an. Oder wir konnten die Kommunalpolitiker*innen als ver.di Mitglieder zu einer Podiumsdiskussion ins Gewerkschaftshaus einladen und richtig Druck machen - auch hier: Wo hätten wir sonst einen solchen Raum her bekommen (bezahlbar!), die Technik und alles, und vor allem, auch hier traut sich keiner nicht zu kommen, wenn die Gewerkschaft einlädt, was anders wäre, wenn wir das alles irgendwie alleine privat organisiert hätten.

Besonders schön war es, als damals die KuK, die anfangs gezögert hatten, nach diesem ersten Erfolg gesagt haben: So, und das kann jetzt nur der erste Schritt gewesen sein! Jetzt geht's weiter! (Auch wenn wir so viel erkämpft haben wie wir uns noch 2 Jahre zuvor nie im Leben hätten ausmalen können, es gibt immer noch genug Luft nach oben und Verbesserungsbedarf...). Ich wurde dann auch stellvertretende Landesvorsitzende in der Fachgruppe Musik bei ver.di, dort haben wir an einem Entwurf für ein Landesmusikschulgesetz gearbeitet und wollten in Gespräche mit der Landesregierung gehen. Ich wurde von ver.di in den deutschen Kulturrat delegiert. Alles Möglichkeiten, politisch was ins Rollen zu bringen.

Auf jeden Fall hat die Unterstützung der ver.di geholfen - natürlich auch über Dinge wie Rechtsberatung, Räumlichkeiten, Möglichkeit Flyer & Banner/Plakate zu drucken, Veranstaltungen im DGB Haus zu machen und die Pressearbeit über ver.di laufen zu lassen hinaus. Denn dort arbeiten ja Leute, die erfahren sind in den Fragen wie man sich eigentlich organisieren kann, wie man Druck aufbauen kann usw. Für uns war damals tatsächlich der Eintritt in die Gewerkschaft wie ein Licht am Ende des Tunnels der Art, dass man endlich raus aus dieser verdammten Vereinzelung kam, rein in den Austausch und auch ins Tun (!), und rein in die Kraft der Solidarität.

So viel zu unserer eigenen "kleinen" (für uns aber großen) Geschichte.
 
Teil 2 der Antwort:
Und nun noch ein paar weitere Anmerkungen.

Hier wurde irgendwo geschrieben, dass man als Selbständige*r doch eher der Arbeitgeberseite zuzuordnen sei. Jein... Genau das dachten wir ja eben auch am Anfang. Aber macht euch bitte bewusst, dass es sehr große Unterschiede in Selbständigkeiten gibt. Wir reden hier nicht von einem Unternehmen, das wir haben, in dem wir dann 20 Mitarbeiter*innen haben oder gar größeren Firmen, sondern wir reden hier von Soloselbständigkeit. Und schaut euch um, in welcher Branche auch immer, aber dann werdet ihr feststellen, dass die Arbeitgeber in den vergangenen Jahren sehr wohl gelernt haben, dass man durch den Einsatz von freiberuflichen/selbständigen Mitarbeiter*innen Lohnkosten sparen kann und im Zweifel unliebsame Mitarbeiter*innen sehr schnell los ist. Schaut euch um, nicht nur an Musikschulen, sondern schaut euch die vielen prekär Beschäftigten z.B. bei Lieferdiensten wie deliveroo und co an, die Honorarkräfte an den Volkshochschulen, ja sogar die Lehrbeauftragten an den Hochschulen (Billigersatz, um keine weiteren Profs einstellen zu müssen, aber sie erledigen einen Großteil der Lehre!) oder bei den Paketdiensten und und und. Und auch da: Das, was einem dort als vermeintliche Flexibilität verkauft wird, ist eine Flexibilität der Arbeitgeberseite - für die Beschäftigten bedeutet das vor allem eins: Unsicherheit, schlechte Bezahlung und oft auch schlechte Arbeitsbedingungen, keine Mitbestimmung. Wir Musiker*innen hatten es immerhin noch dahingehend gut, dass wir die Künstlersozialkasse hatten, die den AG Anteil an den Sozialversicherungen trägt, wenn man über eine bestimmte Mindeststundenanzahl arbeitet - aber die Kurierfahrer*innen, die uns unser Essen zB bringen oder all die anderen, die können all das schön fein selbst zahlen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil von einem oft sehr schlechten Lohn, da man ja keinen Tarifvertrag hat üblicherweise als freiberufliche*r Mitarbeiter*in (es sei denn es gibt einen Haustarifvertrag zB) usw. Heißt doch im Klartext: Die AG sparen sich hier in Form von gesparten Lohnkosten einfach bares Geld, wenn sie Freiberufler*innen beschäftigen statt die Leute fest anzustellen. Daher ist es mir so wichtig, dass wir alle mal erkennen und einsehen, dass sich die Arbeitswelt echt grundlegend geändert hat in den letzten Jahren und dass man deshalb auch dringend ganz genau schauen muss, wen man hier welcher Seite zurechnet. Die vielen kleinen Soloselbständigen sind mE also definitiv nicht der AG Seite zuzuordnen, sondern sind die neuen Gelackmeierten, die sogar schon froh wären, wenn sie einen pobeligen befristeten Vertrag hätten. Je nach Branche sind sie sogar das neue Prekariat. Aber heißen ja nicht mal Arbeitnehmer (sind zwar Beschäftigte, aber keine Arbeitnehmer*innen), muss also an ihnen liegen, wenn sie nicht klarkommen, man ist ja schließlich selbständig... Wenn mir die Politik immer kam mit der Ausrede "Ja, das Honorarverhältnis ist ja nicht als Haupterwerb gedacht", dann habe ich immer zurückgefragt: "Ja, wo sind denn dann unsere festen Stellen, auf die wir uns bewerben können und die angeblich unser Haupterwerb sein sollen?" Verdammt, willkommen in der Realität - wie viele KuK arbeiten denn für 3 oder 4 Musikschulen als Honorarkraft, weil es diese verdammten festen Stellen kaum noch gibt! Zudem wurde das Honorarverhältnis ja ursprünglich dafür geschafften, um Auftragsspitzen abzuarbeiten oder für zeitlich befristete Projekte - mittlerweile wird mit Freiberuflichen aber ja der laufende Betrieb aufrecht erhalten - weil es billiger ist und man sie schnell los ist (hierbei spreche ich jetzt explizit nicht von unserer Musikschule, denn da war ein gutes Arbeitsklima und unsere Arbeit wurde wertgeschätzt, aber hab ich an genügend anderen Stellen gesehen...)

Und natürlich ist es hier auch Aufgabe der Gewerkschaften auch diese Leute zu organisieren, denn sie sind genau genommen noch schlimmer dran als diejenigen, die einen vielleicht schlechten oder befristeten Arbeitsvertrag haben, aber sie haben zumindest einen... Ein wunderbares Bsp ist zB der Arbeitskampf der Kurierfahrer*innen bei den Essenslieferdiensten. Auch dort - es fing damit an, dass sie die befristeten Mitarbeiter*innen nicht mehr verlängert haben, als diese einen Betriebsrat gründen wollten, um Mitbestimmung und Einforderung von besseren Arbeitsbedingungen zu verhindern. Dann gab es eben nur noch "Freelancer". Und diese haben sich massenweise in der NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten Gewerkschaft) organisiert und unter dem Motto "Liefern am Limit" schlussendlich die gesamte Branche vor sich her getrieben. Ich hab jetzt hier nicht die Zeit, das alles auszuführen, aber ich kannte die Leute auch gut, die das ans Laufen gebracht haben damals, und was die auf die Beine gestellt haben zusammen mit ihrer Gewerkschaft, Hut ab! Alle freiberuflich...

Wg. Streik: Als Honorarkraft hat man kein Streikrecht, aber man kann (und sollte ;-)) sich ruhig andere kreative Formen des Protestes überlegen. Wieso zB die Tatsache, dass man nicht weisungsgebunden ist (denn weisungsgebunden zu sein, wäre ein Indiz für Scheinselbständigkeit), nutzen und dann eben draußen auf einem zentralen Platz in der Stadt unterrichten statt an der Musikschule im Unterrichtsraum? Hmmm.... ; - ) Und soweiter. Die TVöD Leute wären streikberechtigt. Und noch was übrigens: Wer über 50% seines zu versteuernden Einkommens bei einem AG erwirtschaftet, ist dort "arbeitnehmerähnlich beschäftigt" und hat ein Anrecht auf Urlaubsentgelt. Noch sowas, was man zusammen mit seiner Gewerkschaft einklagen kann, wenn einem das verwehrt wird und zudem isses schlauer, wenn das viele zusammen machen über die Gewerkschaft, weil dann natürlich der AG schlecht sagen kann, so jetzt kürzen wir denen allen die Stunden. Und falls ein derartiger Angriff auf die Beschäftigten käme, dann könnte und würde die Gewerkschaft das natürlich politisch skandalisieren - alleine und ohne die Kraft der Solidargemeinschaft und des "wir gehen da jetzt alle kollektiv gegen vor" hätte man dann einfach verloren.

Ein allerletzter kleiner Hinweis: Gewerkschaftliche Organisierung ist grundgesetzlich geschützt. Manchmal bekommt man ja von seinem AG so eine Art "Maulkorb" (teilweise stehen da sogar rechtlich nicht haltbare DInge im Vertrag - wieder ein Fall für den Rechtsschutz der Gewerkschaft ;- )), man dürfe dies oder jenes nicht in der Öffentlichkeit sagen (zB der Presse während eines Arbeitskampfes). Aber das ist Blödsinn: Man muss nur dazu sagen zB "Ich spreche jetzt als ver.di Mitglied", und schwupp, das kann dir niemand verbieten. Grundgesetz, Koalitionsfreiheit.

Ihr Lieben, sorry für den wenig strukturierten und vielleicht wirr wirkenden Text, aber ich hatte echt wenig Zeit, aber 100 Gedanken gleichzeitig dazu im Kopf... Also wenn ich euch eins sagen kann: Es lohnt sich. Ab in die Gewerkschaft. Aber eine Sache ist noch wichtig zu wissen: "DIE" Gewerkschaft, das sind nicht die paar Hauptamtlichen dort, sondern das sind ihre Mitglieder. Nur beizutreten und zu denken, dann machen die schon, das funktioniert höchstens in Branchen, in denen viele, viele, viele andere auch organisiert sind, die dann machen. Machen, das muss man selbst - die Gewerkschaft kann da nur unterstützen (und wird das dann auch!). Aber ohne den Druck der Leute, der Beschäftigten selbst, könnte der beste Gewerkschaftssekretär absolut nichts ausrichten. Es geht nur über kollektiven Druck, Aktionen, Pressearbeit, eigenes Engagement. Also auf! Wir haben mit unserer Geschichte an der Rheinischen Musikschule in Köln so viel los getreten, jetzt folgt eine nach der anderen und das freut mich so zu sehen! Gerade gab es anlässlich des Bundeskongresses des VdM (Verband dt. Musikschulen) auch eine gemeinsame Aktion der ver.di Landesfachgruppe Musik NRW und RLP - absolut klasse und ich bin SO stolz auf meine KuK zu sehen, was sich da endlich alles bewegt! Noch vor 4 oder 5 Jahren hätten wir das niemals gedacht, als wir vereinzelt und unzufrieden in unseren Musikschulräumen saßen. Und jetzt geht so langsam ein Ruck durch die Musikschullandschaft. Aber es kann nur klappen, wenn die Leute auch mitmachen. Also auf, auf!

herzlich,
Partita
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe partita,

danke!!! :024: :024::024:

Beste Grüße und vollste Zustimmung! Ich gratuliere zum großen Erfolg!

chiarina
 
@Ambros_Langleb: Mit den Honorarverträgen haben wir ja den klassischen Fall, dass Gutgemeintes in der Praxis nicht gut gemacht wird. Ursprünglich sollten diese Kleinpositionen Bedarfsspitzen ausfüllen, "exotische" Bereiche abdecken (in denen zu wenig Bedarf entsteht, um dort jemanden unbefristet fest anzustellen) oder Seiteneinsteiger aus Industrie, Forschung und dergleichen in überschaubarem Umfang einbinden (die sonst überwiegend andernorts tätig sind). Irgendwann wurde den im Personalbereich zuständigen Personen klar, dass man den gleichen Aufgabenkatalog für eine hauptamtliche Stelle mit vier Honorarkräften abdecken kann plus Ersparnis der ganzen sozialversicherungsrechtlichen Belange, die man einseitig auf die Gegenpartei abwälzen kann. Etwas Bequemeres und Kostengünstigeres kann den Ausbildungsstätten ja gar nicht passieren. Die Auftragnehmer, die eigentlich Arbeitnehmer sein müssten, spielen dieses Spiel in prekären Gefilden mit, weil sie diese Aufgabe als Einstiegsposition in eine spätere Festanstellung sehen. Die geforderte einschlägige Berufserfahrung bei entsprechenden Bewerbungen ist zweifelsohne mit der Übernahme solcher Positionen eher belegbar als wenn man darauf verzichtet - also spielt der Aspirant auf eine spätere Laufbahn als Hauptamtlicher dieses fragwürdige Spiel mit. Erst Jahre später zeichnet sich ab, ob dieser Aufstieg gelingt oder ob die Bemühungen nicht zum Erfolg führen.

@partita: die Bemerkung mit der Soloselbständigkeit als Verknüpfung mit der Arbeitgeberseite stammte tatsächlich von mir. Man ist sein eigener Chef - und Mitarbeiter einstellen wird dieser nur, wenn auch entsprechende Aufgaben in adäquatem Umfang abzudelegieren sind. In der Frühphase der Berufstätigkeit stellt sich die Frage, ob die Interessenlage und die Tätigkeitsstruktur eher ein unternehmerisches Profil aufweisen oder vorrangig Tätigkeiten enthalten, die man als Arbeitnehmer ausübt oder ausüben würde. Für ersteres sprächen viele sehr unterschiedliche Tätigkeiten mit viel Eigenverantwortung, Tätigkeit überwiegend in eigenen und selbst ausgestatteten Arbeitsräumen und/oder für viele unterschiedliche, räumlich und organisatorisch voneinander klar abgrenzbare Auftraggeber - und es ist finanziell nicht alles auf nur ein bis zwei große Auftraggeber zentriert, für die man aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit eigentlich als Angestellter arbeiten müsste. Ich selbst sehe mich eindeutig als Unternehmer: mein Studienschwerpunkt lag im Fach Komposition und teile meine Berufstätigkeit des zurückliegenden guten Vierteljahrhunderts relativ gleichmäßig zwischen den Bereichen Ensembleleitung, Arrangement, Jazz und Popularmusik, Kirchenmusik, Komposition, Musiktheater (Oper, Operette, Musical), Musikkabarett und Chanson, Klavierbegleitung, Kammermusik, Korrepetition, Substitutsfunktionen in Sinfonieorchestern, Bigbands oder Pianodirektion im Salonorchester und weiteren Aufgaben auf. Eine Festanstellung würde ich nur dann akzeptieren, wenn die flexible Ausübung aller von mir beherrschten Fachrichtungen gewährleistet wäre - und solche Positionen gibt es nicht. Statt eines Arbeitgebers gibt es eine große Anzahl Auftraggeber - solange es kein Corona gibt, kommt man damit gut zurecht, auch dann, wenn mal der eine oder andere Auftrag wegfällt. Sehr viele Freiberufler müssten aber als Arbeitnehmer musizieren (weil sie überwiegend Unterricht erteilen) oder sind streng genommen eigentlich verdeckt arbeitslos. Für diesen Personenkreis wäre die Organisation einer Gewerkschaft ein durchaus sinnvoller Ansprechpartner.

Ein fachlich-kollegialer Austausch ist auch in Berufsverbänden wie dem DTKV möglich, nur haben diese in einem viel eingeschränkterem Maße die Möglichkeit, arbeitsrechtlich relevante Belange offensiv zu vertreten. Dort sind allerdings auch nicht nur freiberufliche Musiker Mitglied, sondern auch festangestellte Kolleg(inn)en. Man muss sich vor dem Beitritt zu solchen Organisationen auch über deren Wirkungsbereiche und Arbeitsschwerpunkte im klaren sein - mehr und bessere Jobs besorgen können einem Berufsverbände und Gewerkschaften freilich nicht. Arbeitsvermittlung oder Künstleragentur ist man nun mal nicht. Ich erwähne das, weil dieses Motiv mitunter erwähnt wird, wenn jemand seine Mitgliedschaft beenden möchte.

LG von Rheinkultur
 
PS: Je nachdem wo/für wen man arbeitet, sind unterschiedliche Gewerkschaften zuständig. Das haben diese (meist) ganz gut unter sich aufgeteilt (im Zweifel da vor Ort mal anrufen und nachfragen). Orchestermusiker*innen würde ich zB die DOV empfehlen, Lehrbeauftragten die GEW (ver.di ist an Hochschulen für Personal in Verwaltung & Technik zuständig, die GEW für Leute, die (auf welcher Sorte Stelle auch immer) Lehre machen), freischaffende Musiker*innen und Musikpädagog*innen ver.di. DTKV ist auch ein Musiker*innenverband und manche organisieren sich auch dort, es hängt auch immer bisschen davon ab wie die Organisationssituation vor Ort aussieht - aber den DTKV empfinde ich persönlich als (hilfreichen und wichtigen) Verband, der auch wichtigen Austausch und Beratung ermöglicht, aber nicht als relevante Gewerkschaft in dem Sinne. Festangestellte Musikschullehrkräfte sind ja auch im TVöD zB, dafür ist ganz klar ver.di zuständig, und so ergibt es mE auch Sinn sich als Honorarkräfte dort zu organisieren. Gerade auch, weil sie auch den Vergleich zum TVöD ziehen können und entsprechende Forderungen in Anlehnung an den TVöD fordern können.

Im Übrigen @Rheinkultur hatten wir auch genügend KuK, die gerne ein flexibeles Arbeitsverhältnis statt Festanstellung wollten (zB weil sie einen Teil ihrer Tätigkeit auch als aktiv Konzertierende haben und daher flexibler sein müssen und zB nicht weisungsgebunden - sonst kann man dich ja zB zu einer Konferenz verpflichtend zitieren, was evtl deiner Planung als Konzertierende*r entgegensteht, weil die Konferenz zB an einem anderen Tag liegt als deine Unterrichtsverpflichtung usw) - aber auch hier ist es wichtig, dass man für faire Honorarverhältnisse kämpft. ZB muss sowas wie Honorarfortzahlung im Krankheitsfall oder in Ferienzeiten genau genommen eingepreist sein, denn Durchbezahlen ist streng genommen nicht (Scheinselbständigkeit).
 

Klinke mich mal ein:

Immer, wenn ich im TV "Forderungen" von heiser von links ins Mikro krähenden "Gewerschaftlern" hören muss, stellt sich mir die Frage:

a ) WARUM ?

und

b ) Wer bezahlt denn diese Forderungen?

Mir macht das Ganze den Eindruck, und zwar seit ich politisches Denkvermögen besitze ( also seit 1980 etwa ), als ob dies dem WERT des GELDES entgegenläuft: Man kann nichts bezahlen, was man nicht ( durch propere Arbeitsleistung der angestellten Arbeiter ) erwirtschaftet hat.

Kann sein, dass ich mich irre, aber so ist es in meiner verqueren Meinung.

LG, Olli der Verquere! :-D:-D
 
Seit meiner Jugend bin ich in der IGM , ich war jahrelang Betriebsratsvorsitzender einer Firma mit über 200 Angestellten.
Immer wieder muss man die Erfahrung machen, wenn alles gut ist , fragen die Kollegen warum Gewerkschaft? wenn es dann nicht mehr klappt hörte ich immer was macht die Gewerkschaft?
Das ganze höre ich jetzt hier, es ist zur zeit schlecht und alles schreit nach der Gewerkschaft später wird dann wieder ausgetreten.
 
@partita Danke für deinen tollen und interessanten Beitrag! :011::love:
 

"Wenn immer gejammert wird, dass es keine Lobby geben würde, dann muss ich zumindest meine Musikerkollegen auch mal in die Pflicht nehmen. Es gibt eine Lobby. Wir haben bloß alle nie gecheckt, dass wir auch als Selbständige zur Gewerkschaft gehen können."
 
Ich verstehe nicht warum Freischaffende nicht freiwillig in die Arbeitslosenversicherung einzahlen.
Weil Selbständige nicht arbeitslos sein können. "Arbeitslos" bedeutet doch "keinen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber" und der selbständige Musiklehrer hat keinen Arbeitgeber. Er ist ein Selbständiger. Auch wenn er keine Angestellten hat. Er könnte eine Gesellschaft gründen und sich selbst anstellen. Dann muß er aber in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Und in seiner Eigenschaft als Angestellter auch. Ich vermute, dass ist den meisten Musiklehrern zu teuer.

Es könnte sein, dass das die Wahrnehmung "die Musikschulen beuten uns aus" etwas relativiert. Wenn das so wäre und finstere Musikschulbetreiber arme Musiklehrer ausbeuten, müssten sie sich eine goldene Nase verdienen. Meine Wahrnehmung der Musikschulen hier bei uns vor Ort ist eine andere, aber das ist nur ein Bauchgefühl.

Vielleicht kann man auch andersrum rechnen: Wie viel Geld kann man realistischerweise von den Schülern pro Stunde einsammeln und was bleibt dann, wenn man den ganzen Overhead abzieht, übrig? Meine Vermutung ist (das ist wieder Bauchgefühl) dass bei dieser Rechnung nur eine Summe herauskommt, die in der Region der Selbstausbeutung liegt, bzw. wenn man keine Selbstausbeutung betreiben will, ein Stundensatz herauskommt, den kaum noch ein Schüler zahlen will.
Wenn ich die Zahlen, die mir Google ausspuckt, richtig verstanden habe, kostet die Durchschnitts-Musikunterricht-Stunde in Deutschland etwa 30€ brutto. Eine Handwerkerstunde liegt beim doppelten. Jetzt kann man sagen "wir werden viel zu schlecht bezahlt. Wir wollen das gleiche Geld wie ein Fliesenleger"! kann man sagen, ist auch verständlich, aber meine Vermutung ist, dass dann 90% der Schüler weg sind, weil sie nicht (pro Schüler) jeden Monat zwei oder drei Fliesenleger-Arbeitsstunden bezahlen wollen/können, sondern schon jammern, wenn die Stunde 30€ kostet. Meine Befürchtung: Musikunterricht ist (von wenigen Ausnahmen) nur unter Bedingungen der Selbstausbeutung möglich. Das entspricht auch dem Durchschnittseinkommen, das Musiker für die Künstlersozialkasse angeben. Das liegt bei (wenn ich mich recht entsinne) bei 1.200€/Monat. VIelleicht arbeiten die alle noch schwarz wie blöd, aber vermutlich ist der Job an der Supermarktkasse immer noch lukrativer....

In diesem Thread wird immer wieder beklagt, dass der selbständige Musiklehrer irgendwie eher in der Rolle eines Arbeitnehers als eines selbständigen Unternehmers ist. Das ist materiell wahrscheinlich richtig, rechtlich aber nicht. Ein ganz großer Teil der Paketmenschen, Bofrost-Menschen, Fahrradkuriere und Clickworker machen einen arbeitnehmermäßigen Job, sind aber formal Selbständig. Die Logistikunternehmen, Bofroste usw. machen das, weil es für sie billiger und flexibler ist als die Leute anzustellen und das Arbeitsrecht diese Konstruktion hergibt.
 

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