Haydnarbeit

florg

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28. Jan. 2018
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Hallo zusammen,

zur Zeit studiere ich mit Tochter ein Stück aus einer Klaviersonate von Haydn ein, HOB XVI:4, letzter Satz, Presto. Dazu verwenden wir die Urtext Fassung von Henle. Diese stellt uns vor so einige Rätsel, bei deren Lösung ihr vielleicht helfen mögt.

Dazu gehört natürlich die senkrecht durchgestrichene Tilde, im Bild (2), die ich inzwischen als das berüchtigte "Haydn-Ornament" ergoogelt habe und wohl meistens als Doppelschlag gespielt wird.

Das ist aber weniger das Problem, vielmehr die seltsame Notation mit den kleingeschriebenen 1/8, siehe (1) im Notenbeispiel.

1614184482348.png

Ich bin zuerst so vorgegangen, dass wir die 1/8 ignorieren und schauen, wie die Melodie mit der linken Hand zusammenpasst.

Wie baut man jetzt die kleingeschriebenen 1/8 ein? Im Notenbeispiel also das gis in Takt 37 und d in Takt 38.

In den meisten Aufnahmen klingt es, also würden die kleinen 1/8 einfach mit der folgenden 1/8 als 1/16 gespielt. So, als hätte man in Takt 37 vier 1/16 in Folge. Dabei klingt das gis mit dem Akkord d-a in der linken Hand zusammen. Genauso in T38 das d mit links e-a zusammen, d-cis als 1/16 gespielt.

Warum ist es dann aber so notiert? Gibt es noch andere mögliche Spielweisen? Oder dient die Notation nur der Verdeutlichung harmonischer Zusammenhänge?
 
Das nennt sich Vorschla und wird mitgespielt, deutlich kürzer als die Hauptnote ud dann nicht als regelmäßige 16tel Gruppe.

Falls du mal Schwierigkeiten hast, mit notierten Fingersätzen.. In der Regel bezeichnet man den Daumen mit 1. Auch in der rechten Hand.
 
@ Ralph-hh
Ich wollte dich erst korrigieren, doch dann habe ich das hier gefunden:

1614186627636.png
Quelle: http://www.haydn-institut.de/pdf/Richtlinien-Joseph-Haydn-Werke.pdf

Florg ist übrigens alles andere als ein Anfänger, Haydn notierte seine Werke nur mitunter etwas anders als wir es gewohnt sind. Ich bin mir auch sicher, dass @mick dazu noch so einiges einfallen wird!
 
Zuletzt bearbeitet:
Sind Vorschlagsnoten nicht die kleinen durchgestrichenen? Wenn sie deutlich kürzer als die Hauptnoten sind, werden sie dann vor oder zusammen mit den Begleitakkorden gespielt?
 
Das muss man differenziert betrachten.
Die durchgestrichenen Noten kommen etwas später in Mode, gelten dann oft als sehr kurzer Vorschlag. In dieser Zeit zusammen mit den Begleitakkorden, also auf der Zeit. Im 19. Jh. eher vor der Zeit. Man könnte für Haydn das gute Buch von Carl Philipp Emamuel Bach zu Rate ziehen, steht online.
 
Das Ornament am Ende sieht doch sehr wie ein gewöhnlicher Mordent aus, also a-gis-a. Ich möchte nicht ausschließen, dass es ausnahmsweise auch mal ein Doppelschlag sein könnte, aber das macht hier eher wenig Sinn.
Bei den Eintragungen wundert mich etwas die Bindung von T. 5 auf 6. Zu einen ist das eigentlich nicht Stil der Zeit in eine 1 zu binden und in den Takten vorher ist es ausdrücklich nicht gebunden. Ebenso erschließt sich mir die Fermate nicht wirklich. Dafür gibt es kein Anzeichen und ich würde wohl den 8-Takter zu Ende bringen wollen und nicht durch die Fermate verunklaren.
 
Danke für eure Tipps!
@Klimperline, tatsächlich bin ich auch über diesen Text gestolpert. Ich verstehe ihn aber nicht gut genug um daraus schlüssig eine konkrete Spielweise abzuleiten, trotz meines nicht mehr ganz frischen Anfängertums :kuscheln:

@Axel, "Von den Manieren" zu lesen ist ein wahres Vergnügen! :lol:
Ich stimme dir zu, dass einige der oben notierten Vorschläge zur Phrasierung ungewöhnlich, sogar übertrieben sind. Ich bin da noch in "Diskussion" mit unserer KL.

Tatsächlich habe ich auf imslp.org eine viel deutlicher notierte Fassung von Edition Peters gefunden:

1614190962145.png

Ich frage mich nur, ob hier jetzt eine bestimmte Spielweise festgelegt wird und andere mögliche Alternativen ausgeschlossen werden.
 
Wie man solche Vorschläge zu spielen hat, das muss man letztendlich von Fall zu Fall entscheiden. Die Quellen sind da sehr widersprüchlich. Einig sind sie sich nur darin, dass die Vorschläge in jedem Fall den Wert der Hauptnote verkürzen; d.h. dass solche Vorschläge auf die Zeit der Hauptnote fallen und nicht davor. Ob man den Vorschlag nun halb so lang wie die Hauptnote (also als 16tel) oder kürzer spielt, ist eine Ermessens- und Geschmacksfrage. Auf Streichinstrumenten spielt man bei solchen Figuren die Vorschlagsnote und die Hauptnote auf einem Bogen und die nachfolgenden dann hin und her. Auf dem Klavier könnte man daraus so etwas machen:

1614190059550.png

Möglich wäre aber auch:

1614190261678.png

In der As-Dur-Sonate Hob. XVI/46 schreibt Haydn so etwas:

1614190550144.png

Das deutet darauf hin, dass er mit den Vorschlägen etwas anderes meint als gleichmäßig durchgehende 16tel. Warum sonst hätte er die Stelle unterschiedlich notieren sollen? Wobei man konstatieren muss, dass die Musik mit den Vorschlägen von unten hier etwas außergewöhnlicher ist als die Standardfigur in Hob. XVI:4.

Lange Rede, gar kein Sinn: Ich würde die Vorschläge in einem Adagio wohl eher lang spielen und in einem Presto eher witzig kurz. Aber wie gesagt - die Entscheidung muss jeder für sich treffen.

Was das "Haydn-Ornament" angeht - hier halte ich sowohl einen "Schneller" (= Mordent) als auch einen Doppelschlag für möglich. Letzteren auch umgekehrt. Vor dem Doppelstrich würde ich eher gis-a-h-a als h-a-gis-a spielen. Aber beides ist möglich, ebenso ein einfacher (a-gis-a), eineinhalbfacher (gis-a-gis-a) oder doppelter (a-gis-a-gis-a) Mordent. Wichtig ist die saubere Ausführung - besser ein einfacher, klarer Mordent als ein verhunztes "Kunstwerk".
 
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Vielen Dank @mick, deine Antwort erklärt alles! Die Vorschläge fallen auf die Hauptnote und verkürzen diese nach eigenem Ermessen. Auch der Hinweis auf das Streichinstrument ist hilfreich um sich die Tonfolge anhand der Spielmechanik vorstellen zu können. Ich lerne daraus, dass das Arbeiten mit einer Urtextausgabe zuweilen mehr Wissen voraussetzt :idee:
 

...um die Verwirrung zu steigern, schaue man sich die "kleinen Noten" im Erstdruck einer mehr als nur berühmten Sonate von Mozart an, und vergleiche das mit dem, was man meistens zu hören bekommt bzw was man als alla turca im Ohr hat:
Mozart Erstdruck 1.png
Mozart Erstdruck 2.png
...schon ulkig, dass aus den kleinen 16telchen mal normale 16tel, mal "Vorschläge" werden... (insbesondere der 4. Takt der Coda ist interessant! Warum sind dort 4 16telgruppen ordentlich ausnotiert inklusive Bögen und stacc.?)
 
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Eine Frage zu Trillern bei Haydn habe ich auch, genauer gesagt zu Sprüngen nach langen Trillern (z.B. auf einer halben oder einer ganzen Note): Wird vor dem Sprung als letztes die Haupt- oder die Nebennote gespielt? Ist das abhängig von der Sprungrichtung?
 
Hauptnote. Ein Triller, der mit der Nebennote endet wäre schon mehr als ungewöhnlich.
 
Hallo, ganz toll, von Euch so wunderschön zu hören!
Weiter so!

Walter
 
Gefällt mir! Aber ich würde ein wenig auf die Haltung des Oberkörpers („Katzenbuckel“) achten. Ansonsten: weiter so!
 
In der Musik wie im Leben gilt: Haltung zeigen und Haltung bewahren. Weiterhin viel Vergnügen mit dem Haydnspaß.
 

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