Lehre von "vertikaler" Dynamik

Noch kleine Ergänzung im Kapitel einfache Doppelgriffe und Akkorde geht Kratzert noch grundlagengerechter vor (Mikrokosmos II als Beispiellieferant)...
 
Es ist ein interessantes Thema, wie dezidiert man den Muskelapparat beim Klavierspiel beobachtet.
Es ist ähnlich der Analyse, bei welcher Anschlagsgeschwindigkeit der Hammer welche Lautstärke und Klangfarbe produziert.
Mir ist das zu technisch. Ich merke schon beim Lesen alleine, daß die Musik sich den nächstbesten Ausgang sucht, wenn ich so an´s Klavierspiel herangehe. Damit will ich nicht sagen, daß es Blödsinn sei, nein, gar nicht. Bei mir setzen aber solche mikroskopischen Beobachtungen erst dann ein, wenn Krankheit droht.;-)
Die meisten Schüler wollen ein Hörerlebnis, das bekommen sie durch Ausprobieren.
Zuviel Analyse beengt, läßt das Gehirn auf einen generalen Beobachtungsposten gehen (womit es oft überfordert ist) und die Intuition bekommt keine Chance.
Ich nenne ein Beispiel aus dem Sport:
Ein Mensch lernt reiten und möchte gerne Leichttraben lernen (für die Nichtreiter: das ist, wenn der Reiter beim Traben immer so lustig rhythmisch im Sattel aufsteht. Das tut er, weil es für das Pferd angenehm ist und für den Reiter auch).
Am Anfang weiß er nicht, wie das geht, findet den Rhythmus nicht und plumpst dem armen Tier mit aller Gewalt seines Gewichtes hopsend in den Rücken. Irgendwann in den verzweifelten Versuchen, sich im steigbügel aufzurichten und aufzustehen, gelingt es plötzlich: einmal, dann geht das unangenehme Gehoppel wieder los.Dieses positive Gefühl des Gelingens merkt sich der Körper, so lernt er. Nach weiteren 50 m klappt es plötzlich nochmal, dann zweimal und ruckzuck kann man es immer...
Vieles läuft beim Instrument ebenso ab. Ausprobieren ist der Schlüssel. Der Lehrer lenkt mit seinem Wissen in die richtige Richtung.
Hoffentlich...
 
@Tastatula mehr Mitleid mit dem Pferd und mit dem Klavier...;-) es gibt bei allem Zigtausende Möglichkeiten, es falsch und plump zu machen: die muss man nicht alle ausprobieren ( weder auf dem Rücken von Pferden noch zu Lasten des Gehörs der Umwelt)
 
Es ist ein interessantes Thema, wie dezidiert man den Muskelapparat beim Klavierspiel beobachtet.
Es ist ähnlich der Analyse, bei welcher Anschlagsgeschwindigkeit der Hammer welche Lautstärke und Klangfarbe produziert.
Mir ist das zu technisch.
das ist mir ebenfalls zu medizinisch/mechanisch @Tastatula und beides hat für die Praxis nur geringen Nutzen - aber ganz anders sieht das aus, wenn es um Bewegungsweisen geht!!!
Da ist man direkt im Kontakt mit dem Instrument und mit der Musik, und es schadet nie, sich Klarheit über Bewegungen (und Bewegungsgruppen) zu verschaffen; das geschieht meist durch Unterricht, so er diesen Namen verdient. Und genau das - ein Problem der Bewegungssteuerung - liegt bei den Defiziten des beschriebenen Schülers vor. An der Stelle wäre es sinnlos, alle denkbaren Bewegungen probieren zu lassen, da mehr als 98% davon nicht zum differenzieren in einer Hand taugen.
 
Ausprobieren ist der Schlüssel. Der Lehrer lenkt mit seinem Wissen in die richtige Richtung.
Hoffentlich...

Liebe Tastatula,

das ist ohne Zweifel essentiell richtig! Es gibt doch auch nicht die eine Lösung für jeden Klavierspieler so wie klangliche Abfolgen von verschiedenen Pianisten auch verschieden gespielt werden.

Bei der Bewegungsfindung, bei der Umsetzung der Klangvorstellung auf das Instrument, bei der Technik also gibt es aber sehr wohl allgemeingültige Grundsätze, die mit der "Hardware" des Instruments zu tun haben wie auch mit der Physiognomie des Menschen.

Es ist außerordentlich wichtig aus meiner Sicht, als Lehrer fähig zu sein, im Unterricht zu erkennen, woran es hapert und was die Ursachen für klangliche und somit technische Probleme sind. Das heißt keinesfalls, dass zuviel Analyse beengt!

Nein, wenn ich als Lehrer den entscheidenden Impuls geben kann, den der Schüler dann ausprobiert, der funktioniert und der die Stelle sofort besser klingen lässt, ist das ein Hörerlebnis von außerordentlicher Kraft, Lebendigkeit und Motivation! Ich möchte letztendlich dem Schüler das Ohr und die körperliche Wahrnehmung vermitteln, die ich ihm im Unterricht (noch) leihe. Dann kann er sich selbst unterrichten und wird unabhängig von einem Lehrer.

Ich halte die Fähigkeit zur genauen Analyse, die in erster Linie über das Ohr geht, aber auch mit einer genauen Vorstellung und Beobachtung von Bewegungskoordination und der Balance von Spannung und Entspannung zu tun hat, für extrem wichtig. Wie man methodisch dann an die Sache heran geht, ist wieder etwas ganz anderes. Nicht Einengung, sondern sinnliches Erleben, das Zusammenspiel der fühlenden Fingerkuppen mit dem Ohr, die Freiheit und Weite, die man sich mit dem Spielapparat schafft, die Bewegungen, der Bodenkontakt, die Aufrichtung ..., offene Ohren, wache Hände.... all das macht Klavierspielen zu einem sinnlichen, wunderbaren und von Leichtigkeit geprägten Erlebnis.

Analytische Fähigkeiten im Verbund mit guter Didaktik und Methodik tragen sehr dazu bei, es so werden zu lassen.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zuletzt bearbeitet:
Chopin Nocturne op. 48,1, c-moll, Reprise. Da ist die Melodie in der rechten Hand, die Mittelstimme hat ziemlich viel zu tun, es ist schnell und virtuos - und eigentlich auch noch leise :003:
Schüler hat das Stück geübt, spielt es recht ordentlich, hat sich Gedanken darüber gemacht, ist musikalisch. Aber die Melodie kommt nicht ra
Mir widerspricht sich dieser Text. Der Schüler sei musikalisch hört aber nicht unterschiedliche Lautstärken. Wenn er musikalisch wäre müsste er doch auch unterschiedliche Lautstärken wahrnehmen oder nicht? Wenn er es hören würde , dann würde sich ja auch seine Technik so ändern müssen das klanglich das richtige rauskommt.
Von weitem habe ich auch das Gefühl wie @rolf dass dieses Stück zu schwer für ihn/sie ist ...
 
Wenn er es hören würde , dann würde sich ja auch seine Technik so ändern müssen das klanglich das richtige rauskommt.
Von genau diesem ändern sprechen wir. Glaubst du, dass passiert in 0 Sekunden, von jetzt auf gleich, aus reiner Willensstärke? Da müsste man schon einen sehr begabten Menschen vor sich haben, die gibt es äußerst selten. Die würden in so eine Situation auch gar nicht geraten, sondern von vornherein anders spielen.
 
...ganz egal wo und wie du sitzt @Stilblüte wird es dir nicht schaden, wenn du ein paar Infos gnädigerweise rüberwachsen lässt, damit man dir deine Fragen halbwegs beantworten kann - - es ist irgendwie lästig, wenn man dir die Würmer aus der Nase ziehen muss, um einschätzen zu können, wovon du überhaupt sprichst... ;-) erst kann er das Nocturne musikalisch, nur die Melodie kommt in der Reprise nicht (da wundern lütte Dummjane wie ich sich darüber, dass der Mittelteil funzt) dann wird erklärt, dass er das alles doch nicht so super hinkriegt usw usw - was denn?
also nochmal: kann er wenigstens dasselbe (Oberstimme rausholen) in leichteren Sachen? So Pathétique langsamer Satz, As-Dur Prelude? oder ist das brachiale Nocturne insgesamt zu schwierig für ihn? (da wäre es ja Quälrerei, weiter dran rum zu stochern)
 
Das Nocturne sollte eigentlich nur ein Beispiel sein. Ich möchte hier nicht öffentlich Schüler sezieren. Das "Problem" haben außerdem viele.
Aber ich verstehe deine Frage schon. Zu deiner Beruhigung: Wenn jemand solche Dinge nicht im Ansatz kann, würde ich so ein Stück nicht erlauben. Aber irgendwie muss man ja mal spielen lernen! Du hättest mich sehen sollen, als ich mit der g-moll-Ballade angefangen habe :004::004: Mein Lehrer muss verrückt gewesen sein... Aber ich habe so viel daran gelernt! Und das Ergebnis war auch nicht ganz schlecht! Ich bin jedem dankbar, der viel Geduld mit mir hatte!

Wo soll man denn Oktaven spielen lernen? Ich finde dieses Nocturne gar nicht so schlecht, denn sie sind nicht so ganz schwierig, aber mal eben dahergespielt reicht eben auch nicht. Außerdem ist es ein Stück, das motiviert, und das spielt eine enorme Rolle.
Ich denke, man kann schon verstehen wenn ich sage, dass jemand musikalisch ist, etwas hört (natürlich nicht alles...) und gute Anlagen hat. Es fehlen halt noch Wissen und Erfahrung, und es fehlt die Verbindung vom Kopf und Ohr zur Hand, sowie die Verbindung von der Hand wieder zurück.

Bis man in das Stadium gerät, wo Kopf, Herz, Ohr und Hand eins werden, hat man einen weiten Weg vor sich. Manchmal ist die Hand voraus, manchmal das Ohr, und man muss halt zusehen, dass nicht einer dem anderen davonrennt. Mir hat es immer genützt, wenn mir jemand eine Bewegung genau im Detail auseinandergesetzt hat. Das war halt das fehlende Puzzle-Teil. Welches Teil fehlt, mag bei jedem anders sein.

Meine Frage wurde jetzt erstmal beantwortet, ich habe neue Ideen gewonnen, danke!
 

...eigentlich ist hier nur das Nocturne (das du unterschätzt) interessant, und jetzt darf man erfahren, dass es gar nicht darum ging...

A: wie spät ist es?
B: Viertel vor Acht.
C: 19.45 Uhr.
A: ich wollte aber wissen, wie weit es bis Köln ist.
 
...eigentlich ist hier nur das Nocturne (das du unterschätzt) interessant, und jetzt darf man erfahren, dass es gar nicht darum ging...
Bist du jetzt beleidigt? Was soll ich denn noch schreiben? Name und Hausnummer vielleicht :003:
Ich glaube, dass man jedes Stück unterschätzt, dass man richtig gut spielen will. "Richtig gut" in diesem Sinne können die "gar nichts" spielen, weil sie einfach auf diesem Niveau noch nicht sind. Wären sie das, würden sie vermutlich in der Meisterklasse studieren...:027:

Ich wechsele schon angemessen zwischen Herausforderung und leichteren Stücken ab. Dieses Nocturne ist schon angemessen für den betreffenden Schüler.
 
@rolf ich habe @Stilblüte so verstanden, daß sie einfach wissen wollte, wie man mit dem Problem der Stimmenunabhängigkeit in einer Hand umgeht. Das Nocturne war nur ein Beispiel.
 
Was ich aber auch gemeint habe mit meiner Frage, ist die ganz konkrete Umsetzung. Beispiel: Chopin Nocturne op. 48,1, c-moll, Reprise. Da ist die Melodie in der rechten Hand, die Mittelstimme hat ziemlich viel zu tun, es ist schnell und virtuos - und eigentlich auch noch leise :003:
Schüler hat das Stück geübt, spielt es recht ordentlich, hat sich Gedanken darüber gemacht, ist musikalisch. Aber die Melodie kommt nicht raus. Ich merke, dass er innerlich sie hört und verfolgt, leider ist sie aber p und die Mittelstimme f... :011:
Das Nocturne sollte eigentlich nur ein Beispiel sein. Ich möchte hier nicht öffentlich Schüler sezieren. Das "Problem" haben außerdem viele.
...und es war eine große Verwirrung...und die Verwirrung... (Life of Brian) :-D:-D:heilig:
Dieses Nocturne ist schon angemessen für den betreffenden Schüler.
oder Rachmaninov Etüde es-Moll (dasselbe manuelle Problem) vergleichbares techn. Niveau - also ist der Schüler, was auch immer er gerade spielt, ziemlich fortgeschritten - ärgerlich, dass ihm da eine Grundlage fehlt, da hat der/die KL jetzt was zu tun :026:
 
Schonmal was von einem konkreten Beispiel gehört? :022:
Deine Beziehung zwischen der Rachmaninoff etüde und dem Nocturne kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Die beiden Stücke sind doch vollkommen verschieden... findest du nun die Etüde besonders leicht oder besonders schwer?

Und ja, der Schüler ist gut, aber die Meisterklasse wird er eben nicht bestehen , jedenfalls jetzt nicht.
 
Deine Beziehung zwischen der Rachmaninoff etüde und dem Nocturne kann ich nicht so ganz nachvollziehen.
einfach gucken:
oberstimme 1.jpg

oberstimme 2.jpg
schon sichtbar ähnlich im Klaviersatz, spielt man beides, merkt mans noch deutlicher. Beide sind nicht leicht, aber es gibt schlimmeres und es gibt weniger schlimmes :-) ...aber beides ist beim zuhören eine Tortur, wenn die Melodie nicht zu hören ist ;-):-D
 

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