Schumann - Armes Waisenkind - Auflösungszeichen

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ErF

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Hallo,

ich versuche zur Zeit dieses schöne Stück zu lernen.
Ich habe das Album für die Jugend vom Henle Verlag in einer alten Ausgabe (1977 - Urtextfassung).

Es ist in a-Moll (d.h. es hat keine Vorzeichen), trotzdem sind für die linke Hand Auflösungszeichen in meiner Ausgabe zu finden.
Da ein Versetzungszeichen aber nur für den Takt zählt und es vorher noch kein Versetzungszeichen gab, frage ich mich, warum dort eines steht.

Woran liegt das? Am Urtext? Hier noch eine imspl-Version in der man das sieht (Seite 8):
http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/6/66/IMSLP300406-PMLP02707-Schumann_op68_Album_für_die_Jugend_DinA4.pdf

Grüße
 
Manchmal sind Auflösungszeichen auch als Erinnerung da, obwohl sie es nicht sein müssten. Und da das Album für die Jugend ja durchaus als Lehrwerk gedacht ist, fände ich es plausibel, wenn Schumann dem Anfänger den ein oder anderen Hinweis gibt, den ein Fortgeschrittener nicht braucht (aber vielleicht auch manchmal ganz dankbar dafür ist).

Im vorliegenden Fall beziehen sich die Auflösungszeichen vor dem g' im zweiten Takt des unteren Notensystems (Baß-Schlüssel) wahrscheinlich auf das gis' im ersten Takt des oberen Notensystems (Violinschlüssel).
 
Manchmal sind Auflösungszeichen auch als Erinnerung da, obwohl sie es nicht sein müssten. Und da das Album für die Jugend ja durchaus als Lehrwerk gedacht ist, fände ich es plausibel, wenn Schumann dem Anfänger den ein oder anderen Hinweis gibt, den ein Fortgeschrittener nicht braucht (aber vielleicht auch manchmal ganz dankbar dafür ist).

Erinnerungsvorzeichen sind eher für Fortgeschrittene nützlich als für Anfänger - die ja meist Note für Note buchstabieren. Beim "Armen Waisenkind" erkennt man durch die Erinnerungsvorzeichen auf einen Blick die harmonische Progression, und darauf kommt es beim prima vista-Spiel an: Ein Fortgeschrittener oder Profi liest keine einzelnen Noten, er erfasst eine ganze Phrase mit einem Blick und kann sie dann spielen.

Bei so einem Notentext würde ich die ersten vier Takte nach einem kurzen Blick darauf sofort auswendig spielen können. So, wie ein geübter Leser einen (kurzen) Satz aus einem Buch auch nach einem kurzen Blick auswendig rezitieren kann - man muss dazu nicht jeden einzelnen Buchstaben bewusst wahrnehmen. Ohne Erinnerungszeichen müsste ich zweimal hinschauen, weil die Modulation zur tP im 3. und 4. Takt überraschend ist und man gedanklich allzu leicht im a-Moll-Kontext verharrt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@mick: Danke für die Erläuterung. Stimmt wenigstens der zweite Absatz meiner Antwort?
 
In meiner Urtextausgabe von Peters finden sich diese Auflösungszeichen nicht. Jetzt bin ich etwas deprimiert, obwohl ich Anfänger die harmonische Progression aus micks toller Erklärung nichtmal nach fünf oder sechs Blicken erkennen kann. Muss erstmal rausfinden, was das ist.
Bislang dachte ich, Urtext sei Urtext und dann müssten solche Ausgaben identisch sein - offenbar ein Irrtum. Die Peters Ausgabe basiert laut Revisionsbericht auf dem "von Schumanns Hand korrigierten Erstdruck".
 
In meiner Urtextausgabe von Peters finden sich diese Auflösungszeichen nicht. Jetzt bin ich etwas deprimiert, obwohl ich Anfänger die harmonische Progression aus micks toller Erklärung nichtmal nach fünf oder sechs Blicken erkennen kann. Muss erstmal rausfinden, was das ist.
Bislang dachte ich, Urtext sei Urtext und dann müssten solche Ausgaben identisch sein - offenbar ein Irrtum. Die Peters Ausgabe basiert laut Revisionsbericht auf dem "von Schumanns Hand korrigierten Erstdruck".

Solche Erinnerungsvorzeichen wurden von den Musikverlagen unterschiedlich gehandhabt und oft stillschweigend ergänzt, auch wenn die Komponisten keine notiert haben. Am Werk selbst ändert das ja nichts - es ist nur eine Lesehilfe.
 

So einfach ist es leider nicht, weil man selten nur eine einzige Quelle hat und deshalb die verschiedenen Lesarten der Quellen gegeneinander abwägen muss. Selbst ein Manuskript des Komponisten ist niemals die Quelle schlechthin - es kann immer sein, dass der Verleger nach Rücksprache mit dem Komponisten Dinge geändert hat oder der Komponist selbst in den Druckfahnen noch nachträglich Sachen korrigiert hat. Manchmal weiß man das aus erhaltenen Briefwechseln, manchmal auch nicht. Und dann muss ein Herausgeber abwägen, was als letzter Wille des Komponisten am wahrscheinlichsten ist.

Gute Urtextausgaben haben immer einen wissenschaftlichen Apparat, in dem die Entscheidungen des Herausgebers dokumentiert sind. Es lohnt sich fast immer, diesen genau zu studieren!
 
Gute Urtextausgaben haben immer einen wissenschaftlichen Apparat, in dem die Entscheidungen des Herausgebers dokumentiert sind. Es lohnt sich fast immer, diesen genau zu studieren!
ja, dort hab ich ja den Hinweis auf die Quelle meiner Peters-Ausgabe gefunden, sowie noch weitere Hinweise zu diesem Stück - um Auflösungszeichen geht es dabei aber nirgends.
 
ja, dort hab ich ja den Hinweis auf die Quelle meiner Peters-Ausgabe gefunden, sowie noch weitere Hinweise zu diesem Stück - um Auflösungszeichen geht es dabei aber nirgends.

Darum geht es bei Urtextausgaben ja auch nicht. Notationstechnische Entscheidungen, die nur das Lesen erleichtern, an der Musik aber nichts ändern, müssen nicht dokumentiert werden. Eine Urtextausgabe bleibt auch dann eine Urtextausgabe, wenn man Erinnerungszeichen ergänzt, alte Schlüssel durch moderne ersetzt oder die Notenaufteilung der Systeme ändert. Auch Kreuz-Balkungen, die früher gang und gäbe waren, vermeidet man in modernen Drucken stillschweigend.
 
Gute Urtextausgaben haben immer einen wissenschaftlichen Apparat, in dem die Entscheidungen des Herausgebers dokumentiert sind. Es lohnt sich fast immer, diesen genau zu studieren!

Diese sind in meiner Ausgabe nicht enthalten, man kann sie sich aber auf der entsprechenden Henle-Seite herunterladen (aber auch dort gibt es keine Anmerkung zum Auflösezeichen).
Trotzdem ist das ein guter Ratschlag, es ist interessant sich das durchzulesen.

Vielen Dank für eure Beiträge!
 

aber auch dort gibt es keine Anmerkung zum Auflösezeichen

Herrschaftszeiten, warum auch? Ändert dieses Auflösungszeichen irgendwas an der Musik? Bach hat seine Klaviermusik auch nicht im Violinschlüssel notiert - klingen die Inventionen etwa anders, wenn man sie aus modernen Schlüsseln spielt? Wenn nicht, warum sollte man das im kritischen Bericht hervorheben? Es ist eine Konvention, mehr nicht.
 
Herrschaftszeiten, warum auch? Ändert dieses Auflösungszeichen irgendwas an der Musik? Bach hat seine Klaviermusik auch nicht im Violinschlüssel notiert - klingen die Inventionen etwa anders, wenn man sie aus modernen Schlüsseln spielt? Wenn nicht, warum sollte man das im kritischen Bericht hervorheben? Es ist eine Konvention, mehr nicht.
Das hast du absolut recht und es ist ja auch schlüssig.

Ich wollte nur nochmal darauf hinweisen, dass es dort auch nicht steht. Durch deine andere Antwort war ich der Meinung, dass sowas da dokumentiert ist.
Gute Urtextausgaben haben immer einen wissenschaftlichen Apparat, in dem die Entscheidungen des Herausgebers dokumentiert sind. Es lohnt sich fast immer, diesen genau zu studieren!
 
Ja, es macht Sinn, sich gelegentlich klar zu machen, dass manche Musik, die wir spielen, ihre 200 oder 300 Jahre auf dem Buckel hat. Wenn man regelmäßig mit den Originalquellen umgeht, wird man das auch nie vergessen. Wir sind es aber gewohnt, die Musik von Bach bis Rachmaninoff alle in gleichartigen Ausgaben, gleich aussehender Notensatz bis hin zu den Vorzeichenkonventionen vorgesetzt zu bekommen :)

In einer wissenschaftlichen Ausgabe erfährt man solche Dinge, wie die hier besprochenen, auch nicht aus den Einzelanmerkungen, ggf. sind aber vom Herausgeber hinzugefügte Zeichen in eckige Klammern gesetzt, Bögen gestrichelt etc. und in den Editionsrichtlinien ist nachlesbar, wie man die allgemeinen Fragen entschieden hat, die nicht jedes mal einzeln angemerkt werden müssen (z.B. wie man mit Warnvorzeichen umgegangen ist).

lg marcus
 

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