Bewusste ungenaue Notensetzung

Ich fand gerade eine skurril anmutende Notentextstelle, die sich dann aber in der Anmerkung des Herausgebers rechtfertigte:



Quelle:http://imslp.org/wiki/Special:ImagefromIndex/143681

Beispiel aus:
Étude en douze exercices, S.136 (Liszt, Franz)
Vielleicht habt ihr auch solche Beispiele!

Sowas ist ja nicht unüblich. In vielen Nocturnes hat Chopin sogar "irgendwelchen" Noten zusätzliche Notenhälse gegeben, meistens bilden sie keine richtige eigene Stimme (die mit ihren Zählzeiten einen ganzen Takt ausfüllt). In dem Fall sind die Hälse dann ein Zeichen, dass hier ein Motiv aus einer Begleitstimme hervortritt, die Töne zur Melodie (der rechten Hand) gehören, länger festgehalten werden sollen oder sonst irgendwie besonders sind.

Hier ist die Melodie auch "falsch" notiert. Eine korrekte Notation wäre vollkommen unleserlich:




LG, Mick

Zitat von elli:

Vielleicht habt ihr auch solche Beispiele!

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aus Schulmeister Beckmessers Zensurenheft:

Beckmesser: Beethoven, wie ist das mit 8teln und 16teln?
Beethoven:

Beckmesser: raus hier, Sie sind durchgefallen.

Beckmesser: Kandidat Chopin, Frederic, wie viele 16tel dauert ein Viertel?
Chopin: mal so, mal so - schauen Sie mal:

Beckmesser: das ist pubertärer Blödsinn, Sie Schnösel! Letzte Chance: notieren Sie korrekte Achtel.
Chopin: ok, bitteschön:

Beckmesser (tobt): raus mit Ihnen, durchgefallen! Offenbar besteht diese Klasse nur aus Kretins und Imbezillen, also passen wir die Aufgaben einem derart niedrigen Level an: Kandidat Liszt, Franz, für Sie mal was einfaches: malen sie korrekte Staccato-Punkte.
Liszt (teuflisch grinsend): bitteschön:

(Beckmesser schmeißt in einem Tobsuchtsanfall alle Schulbuben raus und wütet in den Zeugnissen)

köstlich, @rolf :D da gäbe es noch so einiges... :D

Zitat von Stilblüte:

da gäbe es noch so einiges... :D

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aber klar!!!

noch köstlicher allerdings wären hyperkorrekte Klangnotationen (im Sinne von Schulmeister Beckmesser), z.B. sowas (c-Moll Vorzeichen dazudenken) :


(nicht missverstehen: der Philipp demonstriert an diesem Notationsblödsinn was)

Zitat von rolf:

(Beckmesser schmeißt in einem Tobsuchtsanfall alle Schulbuben raus und wütet in den Zeugnissen)

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Zur Ehrenrettung der besagten Herren: meistens hat das ja mathematisch gestimmt, was sie (in nicht geringer musikalischer Genialität und Kreativität) zu Papier gebracht haben

Zitat von Dreiklang:

Zur Ehrenrettung der besagten Herren

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@Dreiklang
die besagten Herren benötigen keine Ehrenrettung!
...rettungsbedürftig sind eher diejenigen (Beckmesser), welche die spezielle Notation innerhalb des jeweiligen Kontextes nicht begreifen!!!

Beethoven op.111 verdeutlicht die Dauer der zu haltenden (!) Akkorde
Chopin op.25,12 verdeutlicht die Melodieakzente
Chopin op.52 verdeutlicht 10 Melodieachtel auf zwei 6/8tel-Takte verteilit (ein ausnotiertes freies rubato)
Liszt´s Notation zeigt deutlich den Stopp des Melodietons beim Bass

Mit anderen Worten: die ungewohnte Notation ist nicht "fehlerhaft", sondern sie verdeutlicht, was da vorliegt! Sicherlich könnte man das "korrekter" notieren, aber dann wäre es eniger gut lesbar.

Die Jungs (Beethoven, Chopin, Liszt) beherrschten ihr Metier, besser als irgendwelche Beckmesser

Senneville/Toussaint