Non legato - staccato

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pianovirus

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Neulich habe ich zum ersten Mal eine CD von Olli Mustonen angehört, eine Auswahl von Beethoven-Variationen. Was mich wirklich begeistert hat, war seine Vielfalt in der Artikulation, mit unendlich vielen Nuancen zwischen non legato und staccato. Hier kann man kurze Ausschnitte probehören, z.B. einen Teil der Var. 1 von Titel 6 (davor gibt es im Amazon-Ausschnitt noch ein paar Sekunden des Themas) - das zeigt ein bisschen, was ich meine.

Zur Zeit übe ich u.a. das Italienische Konzert und wollte nun einmal versuchen, möglichst weit von einem Legato-Zustand wegzukommen (und auch verschiedene Nuancen des non legato auszukosten). Aber...es klappt noch nicht so gut. Es klingt zu schwerfüssig, plump....und ich merke, dass meine Unterarme schnell angespannt werden, wonach es natürlich noch schwerfüssiger wird...
Ich habe gerade eine Aufnahme des 3. Satzes von Lugansky gefunden, die in die Richtung geht, die ich mir vorstelle (nicht, dass ich denke, es selbst so spielen zu können...ich wollte nur meine Klangvorstellung illustrieren):
http://www.youtube.com/watch?v=QuHNBgF2qcc

Gibt es irgendwelche Tipps, um ein schönes non legato bis staccato in schnellen Passagen zu entwickeln? Übetipps, worauf sollte man achten....?
 
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Hallo Tobias,

ich habe mal kurz in Deinen Youtube-Kanal reingeschaut.

Dort konnte ich in dem Video "Fledermaus" gleich erkennen, wo bei Dir vermutlich der Hund begraben liegt.

Man sieht, daß Du bei schnellen Passagen total die Armmuskeln anspannst und unbeweglich - eckig wirst!

Schau mal beispielsweise auf den Winkel, den Oberarm und Unterarm im Ellenbogenbereich bilden. Hier sieht man deutlich, daß 1) Du Muskeln am oberen Ende des Unterarms volle Pulle anspannst (da ist ein richtiger "Berg") und daß somit natürlich die Beweglichkeit und Kraft total eingeschränkt wird und 2) daß sich infolgedessen auch der Winkel zwischen Ober- und Unterarm so gut wie gar nicht ändert - es entsteht eine Art Gipsarm :D

Um diese offenbar sehr feste Gewohnheit zu ändern, gibt es verschiedene Ansätze, eigentlich müßte man dazu auch mit Dir persönlich arbeiten; eine Sache wäre aber auf jeden Fall sinnvoll, nämlich die Stellen, bei denen das auftritt (bzw. bei denen Du dieses plumpe Gefühl hast), LANGSAM, LEGATO (!!!, jawoll, und zwar nur aus dem Armgewicht heraus und mit dem Gefühl der Gewichtsverlagerung von einem Finger zum nächsten) und mit einem Armgefühl "wie ein Seil, das zwischen Schultergelenk und Fingerspitze aufgehängt ist" zu üben. Dabei würde ich immer wieder bewußt auch eine "Vorne-Hinten"-Komponente in die Spielbewegung hineinbringen, so daß Du während des Spiels beobachten kannst, daß der Winkel zwischen Ober- und Unterarm sich beständig ändert und der "Berg" am Unterarm ausbleibt, die Beweglichkeit also voll da ist. (Man kann das ja u.a. einfach erreichen, indem man die Tasten nicht immer am selben Punkt anschlägt, sondern mal weiter vorn und mal weiter hinten.) Wenn Du dann etwas schneller spielst, solltest Du darauf achten, daß dieses "Arm=Seil"-Gefühl unter allen Umständen erhalten bleibt.

Es geht nicht darum, die Armspannung allmählich zu vermindern, sondern zu erkennen, daß man GAR KEINE (!!) Armspannung braucht und nur noch so zu spielen! Mindestens 3 Monate, wenn nicht länger, mußt Du dies gewissenhaft praktizieren, bis das Neue zur Gewohnheit zu werden beginnt.

Erst anschließend (wenn diese Grundlage gelegt ist) würde ich mich mit den Staccatofragen beschäftigen.

Zuletzt möchte ich noch anmerken, daß Mustonens Spielweise ziemlich umstritten ist. Es ist wirklich ein Tick von ihm, alles zu "staccatoisieren". Wirkt zuerst erfrischend beim Hören, aber wenn man mal mehr von ihm hört, erkennt man den Manierismus. Ob man das jetzt unbedingt nachmachen muß, ist fraglich.

LG,
Hasenbein
 
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Ach so, jetzt habe ich schon wieder was extrem Wichtiges noch vergessen:

Das Ganze sollte keinesfalls als isoliertes "Bewegungstraining" stattfinden, sondern immer mit einem bestimmten Klang verbunden sein!

D.h. Du mußt einen geschmeidigeren Klang und eine geschmeidigere Klangverbindung zwischen den Tönen wollen und hervorbringen, womit dann die geschmeidige und mühelose Bewegung einhergeht. Beide Aspekte können nicht voneinander getrennt werden, aber der Focus kann wechselweise auf jeweils einen der Aspekte gelegt werden, um von da aus den anderen mit zu beeinflussen.

D.h. letztlich führt es auch schon zu mehr Festigkeit im Körper, wenn Du denkst, daß die "Fledermaus" so zackig und eckig gespielt werden sollte, wie Du es in dem Video tust. (Sollte sie nämlich nicht!) Entdecke im Staccato das Runde!
 
Vielen lieben Dank, Hasenbein!

Vor dem Lesen Deiner Antwort hatte ich mir gerade selbst noch einmal die Fledermaus angeguckt, weil ich mich an die (nicht nur) staccato-Probleme erinnert habe, die ich bei diesem Stück hatte. Deshalb kann ich Deine Kommentare gut nachvollziehen. Die "Arm=Seil"-Metapher habe ich mir schon von chiarina (glaube ich?) gemerkt; das Bild gefällt mir sehr gut.

Ich möchte noch kurz etwas zu dem Vorschlag sagen, "nur aus dem Armgewicht heraus und mit dem Gefühl der Gewichtsverlagerung von einem Finger zum nächsten" zu üben, weil er mich an zwei Probleme erinnert, die ich an mir selbst immer wieder festgestellt habe:
1- Spiel mit Armgewicht und Schwüngen-> Finger werden passiv -> geht zu Lasten von Klarheit und Sauberkeit meines Spiels
2- Spiel mit sehr aktiver Fingerartikulation -> andere Teile des Körpers nehmen nicht mehr an der Bewegung teil und werden fest / angespannt -> das resultiert in den Problemen (inkl. einem harschen Ton), die Du oben am Fledermaus-Video ja schon festgestellt hast

Das Fledermaus-Video ist in einer Zeit entstanden, in der ich bewusst sehr zu Punkt 2 oben tendiert habe (mit all den oben und von Dir skizzierten Problemen), als Gegen-/Überreaktion zu einem Spiel mit Armgewicht und Schwüngen und sehr passiven Fingern, das ich mir früher (in Zeiten ohne Unterricht) angewöhnt hatte.

Der Idealfall wäre aus meiner Sicht, über die relativen Beiträge von Armgewicht, Schwüngen und Fingerartikulation flexibel - je nach musikalischer Notwendigkeit - verfügen zu können, ohne den oben geschilderten Problemen (Verspannungen bei Fingerartikulation; unsauberes Spiel bei Schwung-/Gewichtsspiel) zu erliegen. Um Anspannungen, ein Festwerden des Arms zu vermeiden, hilft sicher Dein Tipp, ständig in Bewegung (und sei sie auch noch so klein), z.B. "Vorne-Hinten" zu sein. Und auch Dein Hinweis, Bewegungsvorstellung immer mit einer möglichst genauen Vorstellung des erwünschten Klangs zu verbinden (also kein isoliertes Bewegungstraining) findet bei mir Gehör!

Zu Mustonen möchte ich noch sagen: mir ist schon klar, dass das ein "Manierismus" von ihm ist. Aber die Leute, die immer beklagen, dass die Pianisten von heute viel zu unverwechselbar sind, wollen oft nicht eingestehen, dass die Unverkennbarkeit von Pianisten oft nur durch gewisse Manierismen hergestellt wird. Die Frage ist immer, spielt man anders, nur um aufzufallen, oder ist das Ergebnis überzeugend. Ich kann jetzt nur für die Interpretationen auf der Beethoven-Variationen-CD sprechen: die haben mich voll und ganz überzeugt, es ist ein stimmiges Ganzes draus geworden.

Darüber hinaus geht es mir nicht darum, Mustonen "nachzumachen" (ganz abgesehen davon, dass ich's gar nicht könnte), sondern ihn (und andere) als Inspiration für eine möglichst facettenreiche Artikulation zu sehen - und damit meine ich nicht, jetzt alles einfach staccato zu spielen.

Nochmal vielen Dank für Deine beiden Antworten! Mein Beitrag hier ist (hoffentlich klar erkennbar) keine Widerrede, sondern eher ein Nachdenken (bzw. unkontrollierter Worterguss ;) ) über Deine Anregungen.
 
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Wenn die Durchlässigkeit aller Gelenke, ein mittlerer Muskeltonus und eine ausbalancierte Bewegungsweise erreicht ist, dann muß man sich nicht überlegen, wie stark man "aktive Fingerartikulation" dosieren muß. Das ergibt sich dann aus dem angestrebten bzw. erzeugten Klang ganz natürlich von selbst. Dosierst Du "Fingeraktivität" bewußt, wird sie immer zu stark und zu isoliert vom Gesamtbewegungsfluß bzw. nicht sensibel genug für den angestrebten Klang sein!

Solange Du noch auf dem Trip bist, daß Du erstmal eine günstige "Bewegungschoreographie" einüben mußt und dann hörst, ob sich das resultierende Spiel gut anhört / anfühlt, wird's nix.

Dein Körper und Deine Hörweise müssen so koordiniert und günstig vorbereitet sein, daß der Klang letztlich die Bewegung steuern kann.

Oder anders formuliert: Die Aufmerksamkeit muß auf dem Ergebnis einer Tätigkeit liegen, und dadurch improvisiert der Körper jedesmal neu eine Bewegung, die zum Ergebnis führt. Ist der Körper fest oder in ungünstigen Mustern festgefahren, gibt es nur noch wenige Bewegungsimprovisationsmöglichkeiten, und man hat nicht das Gefühl, der Spielende zu sein (so wie man beim Sprechen das unmittelbare Gefühl hat, der Sprechende zu sein), sondern man ist "außen" und beobachtet seinen Körper, der was spielt, von dem man aber genau merkt, daß man das eigentlich nicht ist und daß es einem nicht gefällt und im Grunde "fremd" ist.

Um hier einer zu erwartenden Diskussion anderer Lehrer vorzubeugen: Improvisierte Bewegung bedeutet natürlich nicht, daß man jedesmal "ganz anders" spielt. Das wäre ja Quatsch. Sondern es heißt nur, daß die tatsächlich resultierende Bewegung nicht das Ergebnis einer Choreographie ist, sondern jedesmal neu aus dem aktuellen Klang erwächst - wenn der Klang ähnlich ist, ist natürlich auch die Bewegung ähnlich. Daher kann es in der Instrumentalpädagogik auch keinen getrennten Bereich "Bewegungslernen" geben (oder "Memorisieren aus der Bewegung heraus"), sondern sinnvollerweise nur "Audiomotorik".

LG,
Hasenbein
 
Hallo Tobias,

zu Mustonen: Ich habe die CD (normal CD, nicht mp3) mit den Beethoven Variationen schon viele Jahre. Die Aufnahme ist von 1992 und wohl 1993 heraus gekommen. Ich habe mir sie erst Jahre nach einem Konzert von ihm in Essen gekauft. Damals war er ja noch ziemlich jung und unbekannt. Es war ein überraschendes Erlebnis. Er spielte anfangs die Französische Suite Nr 5 G-Dur. Praktisch augenblicklich bekam ich ganz große Ohren, er spielte sehr expressiv. In den folgenden Sätzen praktizierte er dann auch sein außergewöhnliches non legato/staccato. Seine Bewegungen waren extrem. Ich glaubte fast da wäre Glenn Gould wieder auferstanden. Auch das Zusehen war also schon gewöhnungsbedürftig, aber ich meine sowas gibt es einfach, das muss nicht unbedingt show sein.
Nach dem Konzert wollte ich unbedingt mehr über diesen Pianisten erfahren, aber es gab nichts. Ich war mir nicht klar, ist das nun alles nur extrem um aufzufallen oder ist das einfach "gültig". Inzwischen hat er sich ja als Musiker durchgesetzt und man hört ihn als Pianisten auch schon mal im Rundfunk.
Jedenfalls ist es immer interessant ihn zu hören.
Ich habe auch noch eine CD mit Islamey, Kinder-Album (Tschaikowsky) und Bilder einer Ausstellung, alles in seiner sehr individuellen Art.

Gruss
Manfred
 
Wenn die Durchlässigkeit aller Gelenke, ein mittlerer Muskeltonus und eine ausbalancierte Bewegungsweise erreicht ist, dann muß man sich nicht überlegen, wie stark man "aktive Fingerartikulation" dosieren muß. Das ergibt sich dann aus dem angestrebten bzw. erzeugten Klang ganz natürlich von selbst. Dosierst Du "Fingeraktivität" bewußt, wird sie immer zu stark und zu isoliert vom Gesamtbewegungsfluß bzw. nicht sensibel genug für den angestrebten Klang sein!

Solange Du noch auf dem Trip bist, daß Du erstmal eine günstige "Bewegungschoreographie" einüben mußt und dann hörst, ob sich das resultierende Spiel gut anhört / anfühlt, wird's nix.

Dein Körper und Deine Hörweise müssen so koordiniert und günstig vorbereitet sein, daß der Klang letztlich die Bewegung steuern kann.

Oder anders formuliert: Die Aufmerksamkeit muß auf dem Ergebnis einer Tätigkeit liegen, und dadurch improvisiert der Körper jedesmal neu eine Bewegung, die zum Ergebnis führt. Ist der Körper fest oder in ungünstigen Mustern festgefahren, gibt es nur noch wenige Bewegungsimprovisationsmöglichkeiten, und man hat nicht das Gefühl, der Spielende zu sein (so wie man beim Sprechen das unmittelbare Gefühl hat, der Sprechende zu sein), sondern man ist "außen" und beobachtet seinen Körper, der was spielt, von dem man aber genau merkt, daß man das eigentlich nicht ist und daß es einem nicht gefällt und im Grunde "fremd" ist.

Um hier einer zu erwartenden Diskussion anderer Lehrer vorzubeugen: Improvisierte Bewegung bedeutet natürlich nicht, daß man jedesmal "ganz anders" spielt. Das wäre ja Quatsch. Sondern es heißt nur, daß die tatsächlich resultierende Bewegung nicht das Ergebnis einer Choreographie ist, sondern jedesmal neu aus dem aktuellen Klang erwächst - wenn der Klang ähnlich ist, ist natürlich auch die Bewegung ähnlich. Daher kann es in der Instrumentalpädagogik auch keinen getrennten Bereich "Bewegungslernen" geben (oder "Memorisieren aus der Bewegung heraus"), sondern sinnvollerweise nur "Audiomotorik".

LG,
Hasenbein

Auch diesen Text sollte jeder, der ernsthaft Klavierpielen will - um es mal mit Rolfs Worten zu sagen - sich ausdrucken und übers Klavier an die Wand nageln.
Ich habe selten einen derart treffenden Post zu dieser Thema gelesen.

100% Zustimmung
 
Solange Du noch auf dem Trip bist, daß Du erstmal eine günstige "Bewegungschoreographie" einüben mußt und dann hörst, ob sich das resultierende Spiel gut anhört / anfühlt, wird's nix.

Dein Körper und Deine Hörweise müssen so koordiniert und günstig vorbereitet sein, daß der Klang letztlich die Bewegung steuern kann.

Es ist die "Profi-Perspektive", welche (freilich richtig!!) erklärt, dass der Klang der entscheidende Motor für das Bewegen ist - nichts anderes besagt ja das berühmte Bonmot von Franz Liszt:
und da hat er absolut recht. Nur muss man einschränken: das geht erst bei denen, deren Wahrnehmung schon für diese Klangdifferenzierung geschult ist. Und das ist sie bei Anfängern noch nicht!

...da haben alle Lehrer sehr viel zu tun: Klangwahrnehmung, Klangempfindung und Bewegung müssen geschult, entwickelt und auf die richtigen Bahnen gelenkt werden - - - ich wünsche jedem, dafür Lehrer zu finden, die das mit Geduld aber auch mit Genauigkeit in lockerer Atmosphäre machen!!!

mit dieser leider realen Einschränkung stimme ich prinzipiell auch zu.

Des weiteren ist zu bedenken, dass allein über das hören und verstehen können (was auch gelernt, verfeinert werden muss) sich die richtige Umsetzung ins Bewegen noch nicht einstellt.

hören, fühlen und bewegen müssen geschult werden - man kann das nicht voneinander trennen; in diesem Sinne ist die Beschäftigung mit der "Bewegungs-Choreografie" nicht minder relevant.

Gruß, Rolf
 
Wenn ich mich mal einmischen darf als jemand, der Fingerstaccato gerade lernt::);)

Bei mir war das Problem, dass ich nach der schnellen Bewegung des einzelnen Fingers die Hand nicht schnell genug wieder entspannt habe. Also eigentlich; die Beugespannung schnell wieder auflösen. Damit war aller Stress raus und das Staccato läuft jetzt gut und auch viel flexibler. Und es kann mehr meinen Vorstellungen vom Klang folgen.

Clara Haskil beherrschte den flexiblen Umgang mit legato und staccato sehr gut, wie ich meine.

Ich möchte noch hinzufügen, dass ich meine, Staccatospielen löst viele Probleme beim Klavierspielen. Denn es geht nur mit entspannter Hand- und Armhaltung. Mir hat es geholfen, insgesamt entspannter und öonomischer zu spielen.
 
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Hallo Tobias,

zu Mustonen: Ich habe die CD (normal CD, nicht mp3) mit den Beethoven Variationen schon viele Jahre. Die Aufnahme ist von 1992 und wohl 1993 heraus gekommen. Ich habe mir sie erst Jahre nach einem Konzert von ihm in Essen gekauft. Damals war er ja noch ziemlich jung und unbekannt. Es war ein überraschendes Erlebnis. Er spielte anfangs die Französische Suite Nr 5 G-Dur. Praktisch augenblicklich bekam ich ganz große Ohren, er spielte sehr expressiv. In den folgenden Sätzen praktizierte er dann auch sein außergewöhnliches non legato/staccato. Seine Bewegungen waren extrem. Ich glaubte fast da wäre Glenn Gould wieder auferstanden. Auch das Zusehen war also schon gewöhnungsbedürftig, aber ich meine sowas gibt es einfach, das muss nicht unbedingt show sein.
Nach dem Konzert wollte ich unbedingt mehr über diesen Pianisten erfahren, aber es gab nichts. Ich war mir nicht klar, ist das nun alles nur extrem um aufzufallen oder ist das einfach "gültig". Inzwischen hat er sich ja als Musiker durchgesetzt und man hört ihn als Pianisten auch schon mal im Rundfunk.
Jedenfalls ist es immer interessant ihn zu hören.
Ich habe auch noch eine CD mit Islamey, Kinder-Album (Tschaikowsky) und Bilder einer Ausstellung, alles in seiner sehr individuellen Art.

Gruss
Manfred

Hallo Manfred! Das hat mich gefreut, dass noch jemand diese CD hat. Und schön zu lesen, wie Du über die Konzerterfahrung, die Dich nicht losgelassen hat, dazu gekommen bist!
Liebe Grüsse,
Tobias

P.S. Danke auch für die anderen bisherigen Beiträge!
 
Wenn die Durchlässigkeit aller Gelenke, ein mittlerer Muskeltonus und eine ausbalancierte Bewegungsweise erreicht ist, dann muß man sich nicht überlegen, wie stark man "aktive Fingerartikulation" dosieren muß. Das ergibt sich dann aus dem angestrebten bzw. erzeugten Klang ganz natürlich von selbst. Dosierst Du "Fingeraktivität" bewußt, wird sie immer zu stark und zu isoliert vom Gesamtbewegungsfluß bzw. nicht sensibel genug für den angestrebten Klang sein!


Hallo pianovirus,

ich muss gestehen, dass ich es nicht einfach finde, deine Frage zu beantworten. Deswegen , so befürchte ich , kann ich dir auch keine Lösung , sondern höchstens ein paar Überlegungen anbieten.

Als ich deinen Post gelesen habe, dachte ich spontan: "na, wunderbar, wenn die Klangvorstellung schon da ist, einfach machen." Da das nun aber genau das Problem ist, habe ich auch wie hasenbein gedacht, dass irgendwelche Blockaden da sein müssen. Ich finde seine Überlegungen schon einmal sehr durchdacht und hilfreich.

Als Ergänzung von obigem Zitat habe ich gedacht, dass vielleicht das Wort "Fingerartikulation" eines der Probleme sein könnte. Könnte es sein, dass du, weil du dieses Wort in deiner Vorstellung hast, dich bei dem Versuch, die verschiedenen Artikulationen deiner Klangvorstellung aus dem Finger und vielleicht nur daraus zu realisieren, zu sehr anstrengst? Und deshalb zu sehr verkrampfst?

Wenn das sein könnte, würde ich dieses Wort erst mal aus dem Kopf/Gedächtnis verbannen. Ich weiß, dass du dir der Wichtigkeit geschmeidiger, lockerer und durchlässiger Beweglichkeit aller Gelenke und der Verbindungen von Schulter, Arm, Hand u.a. bewußt bist. Das hast du ja auch geschrieben. Aber vielleicht ist diese Durchlässigkeit eben bei sog. Fingerartikulation doch nicht vorhanden, weil du dich in hohem Maße auf die Finger konzentrierst und ihnen mit aller Kraft und Konzentration alles an Artikulationsmöglichkeiten abverlangen willst? Vielleicht hebst du auch die Finger beim staccato wie verrückt?

Wenn das stimmt, könntest du vielleicht einfache Artikulationsübungen machen, die aufbauend erst mal an der Taste ganz aus Handgelenk und Arm gespielt werden. Wenn du das locker und unangestrengt spielen kannst, kannst du immer mehr Fingeraktivität dazunehmen. Ein Beispiel dazu:

Nimm die Tonfolge cdef - defg - efga ..... mit dem jeweiligen Fingersatz 1234.

1) Spiele sie erst mal in aller Ruhe legato mit Ellipsenbewegungen des Handgelenks. Die Finger bleiben an der Taste.

2) Dann spiele die gleiche Tonfolge in der Artikulation ein Bogen, 2 staccati. "c" ist also legato, die anderen 3 Töne staccato. Falle mit dem Handgelenk von oben in den Daumen hinein und gehe dann während der nächsten 3 staccato-Töne mit dem Handgelenk aufwärts, mache dabei die Hand leicht (ich hoffe, es ist einigermaßen verständlich geschrieben). Du spielst diese Artikulation also nur mit Schwung des Handgelenks und gar nicht aus dem Finger. Die Finger nehmen nur die Schwünge des Handgelenks auf und geben sie an die Tasten weiter - sie sind also nicht schlabbrig, machen aber ihrerseits keine aktive Bewegung.
Das machst du erst mal langsam und in aller Gemütsruhe - du schaust dir alles an und fühlst vor allem, wie es sich anfühlt, überhaupt keine Spannung im Unterarm u.a. zu haben.
Später kannst du das Tempo steigern, dabei wird die Handgelenksbewegung kleiner.

3) Diese Art der Artikulation kannst du nun verändern, indem du den Bogen in die Mitte bzw. an das Ende der Tonfolge 1234 rückst. Ansonsten bleibt bis auf die Abwärtsbewegung des Handgelenks, die immer auf dem legato gespielten Ton erfolgt, alles gleich. Du kannst auch den Fingersatz verändern, z.B. 2345 2345 .... oder 1345 1345 (Töne cefg) spielen, auch die Tonfolgen abwärs zu spielen, ist wichtig - die Variationsmöglichkeiten sind sehr vielfältig. Später solltest du auch transponieren - ich würde es aber erst machen, wenn du die Bewegung bereits automatisiert hast, sonst könnten sich wieder Verkrampfungen einstellen.

4) Wenn du diese Tonfolgen dann völlig locker und entspannt spielen kannst, kannst du versuchen, die Fingerspitze ein bisschen mehr zu aktivieren. Du könntest z.B. eine Mini-Abzupfbewegung an der Taste machen - ich glaube, Rolf hat das mal "Kratzen" genannt. Der Klang wird dadurch prägnanter und klarer. Wahrscheinlich ist der Finger selbst dann auch noch ein bisschen stabiler. Dann kannst du ausprobieren, wieviel Fingeraktivität du machen kannst, ohne dabei die Gelöstheit vom Unterarm etc. zu verändern und hören, wie sich der Klang dabei verändert.

5) Vielleicht sind dann die Voraussetzungen für weitere Artikulationsexperimente sehr viel günstiger als vorher. Grundsätzlich glaube ich, dass Staccato/non legato sehr viel mit solchen Schwüngen, die allerdings im Tempo sehr klein sind, gespielt wird und die Vielfalt sehr mit dem Kontakt der Fingerkuppe und der Art, wie sie mit der Taste umgeht zu tun hat als mit mehr oder weniger großen Fingerbewegungen. Dann wird der Klang der artikulierten Töne auch nicht schwammig, so wie du es ja schon einmal erlebt hast, wenn man nur aus dem Arm spielt.

Ich weiss nicht, ob dir diese Überlegungen weiterhelfen, wenn nicht, vergiss es einfach. Gestern im Film über Glenn Gould hat übrigens eine Pianistin eine Übung vorgeführt, bei der eine Hand recht flach in 5-Fingerlage auf den Tasten liegt und die andere Hand auf jeden Finger staccato tippt. Ähnliches mache ich auch manchmal mit meinen Schülern und Feuchtwangers erste Übung beginnt ja auch ählich, ist dann aber noch viel weitreichender. Vielleicht wäre das auch was für dich.

Viel Glück und Erfolg beim Artikulieren

chiarina

P.S.: Da fällt mir noch ein, dass ein Schauspieler beim Sprechen ja auch gut artikulieren muss. Und das alles ohne riesige Mund- und Zungenbewegungen, sondern ganz natürlich.
 

Hallo chiarina,
eine Frage habe ich zu 2.) und 4.):

Staccato aus dem Handgelenk und/oder aus den Fingern:

Ich finde, das feinste Staccato bekommt man aus den Fingern. Stichwort heiße Herdplatte. Schnell anschlagen und schnell den Finger zurückbringen. Nur aus dem Fingergrundgelenk. Und das strengt bei mir gar nicht an.:confused:

Wird bei Dir das Fingerstaccato aus dem Handgelenkstaccato entwickelt, oder habe ich das falsch verstanden?

LG
violapiano
 
Hallo chiarina,
eine Frage habe ich zu 2.) und 4.):

Staccato aus dem Handgelenk und/oder aus den Fingern:

Ich finde, das feinste Staccato bekommt man aus den Fingern. Stichwort heiße Herdplatte. Schnell anschlagen und schnell den Finger zurückbringen. Nur aus dem Fingergrundgelenk. Und das strengt bei mir gar nicht an.:confused:

Wird bei Dir das Fingerstaccato aus dem Handgelenkstaccato entwickelt, oder habe ich das falsch verstanden?

LG
violapiano


Hallo VP,

nein, du hast schon recht. Aber es scheint so, dass bei pianovirus' staccato irgendwelche Blockaden auftreten, vor allem, wenn es in 16tel-Ketten gespielt wird. Das ist aber nur eine Vermutung, die ja auch hasenbein schon hatte.
Weil es sein könnte, dass vielleicht zu viel oder zu angestrengte Fingerbewegungen für diese Blockaden verantwortlich sein könnten, habe ich den Vorschlag gemacht, die sog. Fingerartikulation erst mal zu lassen und durch Artikulationsübungen mit Handgelenkseinsatz zu ersetzen. Meine Hoffnung ist, dass durch ein solches staccato ohne jede Verspannung im Unterarm die Blockaden gelöst werden und anschließend die Fingerartikulation an der Taste eingesetzt werden kann.

Wenn man eine große Bandbreite von staccato/non-legato-Klängen spielen will, geht das meiner Meinung nach nicht nur aus dem Finger. Auch nur kleine staccato-"Kratzer" mit dem vordersten Fingerglied wirken sich ja auch mehr oder weniger auf den gesamten Spielapparat aus. Aber vielleicht sind andere da anderer Meinung....!

Vielleicht liege ich auch mit dieser Vermutung ganz falsch - ich wollte aber wenigstens einen Versuch starten.

Viele Grüße

chiarina
 
Hm- vllt liege ich ja auch falsch- die Bewegung aus dem Handgelenk und aus den Fingern selbst ist Mmn eine andere.
Bei mir ballerts mehr aus dem Handgelenk. Feinere Differrenzierungen mache ich aus den Fingern.

Mit hat gedanklich geholfen, an einen schnellen Impuls zu denken.





LG violapiano


(Mir scheint die Spannung im Ellbogen zu sitzen bei pianovirus. Beugespannung. Vllt sogar schon im Schultergelenk rechts. (Fledermaus)
Das Handgelenk ist dadurch auch manchmal etwas höher; just my two pence:oops:)
edit: in einer therapeutischen Behandlung würde man versuchen, von proximal zu beginnen, also zunächst die Spannung am Rumpf und Oberarm zu reduzieren. Ich glaube, Spannung an den distalen Gelenken resultiert aus der in den körpernahen.
 
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Wenn man eine große Bandbreite von staccato/non-legato-Klängen spielen will, geht das meiner Meinung nach nicht nur aus dem Finger. Auch nur kleine staccato-"Kratzer" mit dem vordersten Fingerglied wirken sich ja auch mehr oder weniger auf den gesamten Spielapparat aus. Aber vielleicht sind andere da anderer Meinung....!

Vielleicht liege ich auch mit dieser Vermutung ganz falsch - ich wollte aber wenigstens einen Versuch starten.

chiarina, Du liegst mit Deiner Vermutung denke ich nicht falsch, und ein herzliches Dankeschön für Deine - wie immer - hilfreichen und dabei noch sehr nett formulierten Beiträge!

Also, ich denke ein Teil des Problems bei mir ist sicher die mehrfach angesprochene Entspannung. Und ich schliesse mich chiarinas Meinung (wenn ich sie richtig verstanden habe) an, dass ein breites Ausdrucks-Repertoire von staccato und nonlegato-Nuancen unterschiedlich Beiträge von unterschiedlichen Teilen des Spielapparats voraussetzt (violapiano: ich kenne mich mit Anatomie nicht so aus, aber Fingergrundgelenke sind doch die nahe bei der Hand, oder? Dann würde ich da nicht aufhören, denn auch die Fingermittel- und Endgelenke können m.E. unterschiedliche Beiträge leisten -- die von chiarina erwähnten Kratzer kommen denke ich hauptsächlich von letzteren beiden).

Aber, wie gesagt, seit meinen Fledermaus-Zeiten hat sich bei mir (hoffe ich) einiges getan. Auch wenn sicher auch in Bezug auf Entspannung immer noch unendlich viel zu lernen bleibt: bisher verstehe ich all die Beiträge so (mal platt gesagt) - "bist Du gut entspannt und machst gute Schwünge, dann klappts auch mit dem staccato/nonlegato". Daran zweifle ich etwas, denn ich denke, es gibt sehr viele Pianisten, die ohne stark hinderliche Verspannungen ihr Spiel entfalten können. Aber könnten die alle, wenn sie nur wollten, ein solches Feuerwerk entfachen wie Mustonen, oder Lugansky im 3. Satz des Italienischen Konzerts?

Oder anders gesagt: es gibt doch objektive Unterschiede in den technischen Möglichkeiten, über die wir verfügen. Um mal ein ganz einfaches Beispiel zu nehmen: 16tel-Skalen in verschiedenen Graden von staccatissimo bis portato. Bis zu welchem Tempo sind Artikulation und Dynamik (z.B. von pp nach ff, oder konstant pp) noch sauber kontrolliert? (z.B. Viertel=140? 150? 160? usw). Sind die Unterschiede zwischen uns (und die gibt es sicher auch unter professionellen Pianisten) allein durch den Grad der Entspannung bestimmt?

Ausserdem: In den bisherigen Beiträgen klingt es für mich so, als ob Entspannung, wenn man sie einmal gefunden hat, etwas ist, das nach Belieben verfügbar ist. Für mich ist ein einzelner staccato-Schwung von 5 Sechzehnteln aber deutlich leichter als eine lange Passage. Ganz ähnlich, wie für viele Pianisten, auch professionelle, die Verbindung z.B. von Chopins Etüden in zyklischer Darbietung als deutlich schwieriger angesehen wird als die Wiedergabe einer Einzeletüde. Weil wohl die meisten Erdenwesen z.B. direkt nach op.10/1 vielleicht nicht mehr ganz so locker an Nr. 2 gehen, wie wenn sie direkt mit der zweiten starten, oder direkt nach op. 10/1 bis 25/10 nicht mehr ganz so locker an 25/11. Deshalb denke ich, es gibt nicht einfach nur ein Gegensatzpaar angespannt vs. elastisch-locker, sondern unterschiedliche Grade, in denen das beherrscht wird - auch von Profis - sowie unterschiedliche Fähigkeiten, über längere "schwierige" Passagen nicht zu verkrampfen.

Puh, jetzt hjabe ich mal wieder lang vor mich hingeschrieben...was waren nochmal meine Punkte? ;)
- Manche Beiträge (Hasenbein) hören sich für mich so an, wie wenn man die Beherrschung einer elastisch-entspannten Spielweise entweder 100% verstanden hat oder nicht. Ich glaube eher, das ist ein Weg, der nie zu Ende ist, weil wohl für jeden immer noch Potential für Verbesserungen da ist.
- Ausserdem glaube ich nicht, dass sich die Fähigkeit, über längere Strecken hohen Tempos elastisch-entspannt zu bleiben, automatisch aus dem Verständnis des Prinzips ergibt, und es gibt in dieser Hinsicht ja auch offensichtlich Unterschiede zwischen professionellen Pianisten.
- und, jetzt noch mal speziell auf meine ursprüngliche staccato-portato-Frage zurückkommend, ich bezweifle, dass es allein die Frage nach einer elastisch-entspannte Muskulatur ist, die über (a) die artikulatorische Ausdrucksbandbreite (Nuancen im portato und staccato-Bereich) entscheidet, und (b) über die Tempi (und Dauern), bis zu denen noch voll darüber verfügt werden kann.

Ich stimme Hasenbein zu, dass die Bewegung immer von der Klangvorstellung ausgehen muss. Aber daraus zu schliessen, dass wir jetzt nicht mehr über motorische Fragen nachdenken und diskutieren sollen, glaube ich nicht. Ich kann von mir ganz sicher sagen (eines der seltenen Male, dass ich dieses Wort verwende), dass meine Klangvorstellung viel ausgeprägter ist als mein Umsetzungsvermögen. Von vielen Stellen habe ich eine glasklare Vorstellung, wie ich sie gerne klingen lassen würde, aber meine motorischen Fähigkeiten reichen nicht aus, um den Klang auch wirklich zu erwecken. Ich würde mich wundern, wenn das ausschliesslich ein Anfänger/Amateurproblem ist - die Unterschiede zwischen Kissin, Argerich, Horowitz & co. und einem ordentlichen Profipianisten liegen sicher nicht nur in einer weniger entwickelten Klangvorstellung des letzteren, sondern auch in der Fähigkeit, das Vorgestellte umzusetzen, in der automatischen, intuitiven Verfügbarkeit über vorher (nicht immer, aber oft) bewusst Erarbeitetes.

Also, ich hoffe mal, dass mein Dilettanten-Senf-dazu-Post nicht als Provokation aufgefasst wird - das ist es nicht, sondern ehrliches Interesse an der Sache.
 
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Ich stimme Hasenbein zu, dass die Bewegung immer von der Klangvorstellung ausgehen muss. Aber daraus zu schliessen, dass wir jetzt nicht mehr über motorische Fragen nachdenken und diskutieren sollen, glaube ich nicht. Ich kann von mir ganz sicher sagen (eines der seltenen Male, dass ich dieses Wort verwende), dass meine Klangvorstellung viel ausgeprägter ist als mein Umsetzungsvermögen. Von vielen Stellen habe ich eine glasklare Vorstellung, wie ich sie gerne klingen lassen würde, aber meine motorischen Fähigkeiten reichen nicht aus, um den Klang auch wirklich zu erwecken.

hallo,

dass Du dieses Problem erkannt hast und benennst, ganz offen und auch gewissermaßen kompromisslos: das ist klasse! ! !

Allgemein gesagt "mangelt" es nicht an der Vorstellung, sondern am Repertoire an Bewegungsweisen. Das bedeutet nicht, dass es Dir an Fähigkeit mangelt (Schnelligkeit, Geistesgegenwart, Übersicht sind ja vorhanden!) - es fehlen (noch) Verfeinerungen der motorischen Abläufe. Diese sind lernbar, aber sie müssen wahrgenommen und erfühlt werden.

Auf dem Weg zum Erfühlen der Möglichkeiten ist das "Überwachen", das "Kontrollieren" eines der größten Hindernisse - Dir muss klar sein, dass sich dieser hochensible sensomotorische Bereich außerhalb der Versprachlichung abspielt: hier wird das Hören immer relevanter, ebenso das fühlen.

Die Fragestellung "mache ich es gerade richtig, bewege ich mich richtig" ist immer falsch - die Fragestellung "ist das der Klang" ist immer richtig. Warum? Weil die erste Frage während des Tuns vom fühlen und hören ablenkt, sie konzentriert sich auf die Vorbereitung des Klangs von außen und sie trennt Bewegung und Klang.

Angenommen, Du triffst den Klang, den Du haben willst: interessiert dann überhaupt noch, wie das zustande kam??? Natürlich nicht: das "merkt" sich Dein Bewegungsapparat - unsere Nerven, unser Tastsinn: das ist enorm präzise und verläßlich. -- kommt rüber, was ich meine?

herzliche Grüße, Rolf
 
Hallo Tobias,

ich finde, Du spielst sehr gut, das was rauskommt, ist doch schon super.

Was ich sagen wollte ist:
ich sehe, dass Du im Arm Spannung hast.
Diese muss man auflösen vom Runpf her beginnend, es hat mMn nicht viel Sinn, mit der Hand anzufangen, weil sich die Spannung von oben, Schultergürtel herab, aufbaut und auf die Hand überträgt.
mir scheint es, als hieltest Du den Arm von der Schulter herab fest. Wenn Du laut spielt, dann fällt er nicht, sondern ist sehr aktiv in der Abwärts-Bewegung. Weil das Ellbogengelenk nicht federt. Und ich denke, der freie Klang des Tons entsteht durch die elastischen Gelenke.

Was soll ich denn sagen, wenn Du Dilettantensenf schreibst...:confused:

Übrigens geht es mir wie Dir, ich habe auch reichlich Vorstellung, leider umfasst mein physisches Vermögen weitaus weniger als Deines.

Noch eine Idee: Hast du mal versucht, deinen Sitz zu verändern, weiter runter?

LG
violapiano

proximal heißt rumpfnah, distal heißt rumpffern. Ist mir rausgerutscht, entschuldige.

EDIT: ich möchte noch hinzufügen:
Der Arm ist hauptsächlich muskulär am Rumpf befestigt. Wenn Du den Arm nach vorne bewegst, dann sind dabei auch die Brustmuskeln beteilgt. Beugst Du denn Ellbogen, so sind daran die Oberarmbeugemuskeln, aber mitunter auch die Brustmuskeln beteilgt.

Das meinte ich, wenn die Spannung oben sitzt, dann setzt sie sich fort in den Arm als Folgereaktion.
Wenn man zum Beispiel Schlaganfallpatienten mit erhöhtem Beugetonus behandelt, dann fängt man von der Schulter her an, und oft sieht man dann, wie der Ellbogen sich öffnet und die Hand auch lockerer wird.

Prüfe doch mal, ob deine Brustmuskulatur stärker anspannt, ob die Schulter flexibel ist oder wie von hasenbein beschrieben, wie eingegipst in Ihrem Winkel zum Körper? Gleiches für den Ellbogen.
Ich meine, man braucht viel Geduld, um die Spannung zu erspüren und nach und nach abzubauen. Vermutlich spürst Du es auch nicht sofort.

Um Spannung wahrzunehmen kann man auch zunächst mal bewusst alle Beuger anspannen und dann loslassen und den Unterschied bewusst spüren. Zum Beispiel Schultern hochziehen, fallen lassen Arm nach vorne führen, fallen lassen. Ellbogen beugen, fallen lassen und hinfühlen.

Ich habe selbst an der Bratsche umgelernt, früher viel Spannung, heute wenig. Ist mühsam, aber lohnt unbedingt!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Eine Frage, die sich mir beim Durchlesen eurer Beiträge stellt: Ist die Frage nach der körperlichen Entspanntheit in Verbindung mit der Klangvorstellung nicht auch stark vom Instrument abhängig?

Es klingt immer so, als müsste man sich hauptsächlich an der Klangvorstellung orientieren, wenn man zu einer entspannten Spielweise finden will, ganz so, als gäbe es neben der Klangvorstellung keinen tatsächlich erzeugten Klang, den das Ohr wahrnimmt (überspitzt gesagt). Der wirkliche Klang, den das Instrument infolge meiner Behandlung hervorbringt, steuert doch unmittelbar meine Spielweise und auch meinen körperlichen Gespanntheits- bzw. Entspanntheitszustand.

Ich erlebe es immer wieder, dass ich an Instrumenten sitze, die nicht so wollen wie ich und die meine innere Vorstellung des Klangs nicht unmittelbar umsetzen. Die Folge ist meist eine erhöhte Körperspannung in dem Bemühen, den Klang eben doch so hinzukriegen, wie er sein soll. Andererseits gibt es Instrumente, die wie von selbst spielen, weil die Klangvorstellung quasi fließend auf das Instrument übergeht und sich dort in realen Klang umsetzt. Das führt unmittelbar zur größerer Entspanntheit, deshalb ja dieses Gefühl des "von-selbst-Spielens".

Grüße von
Fips
 
Fips, wohl wahr, wohl wahr,

das Instrument spielt eine Rolle, allerdings.
Ich kämpfe im Unterricht immer mit KLs Flügel, da funktioniert noch lange nicht, was auf meinem Flügel geht.:confused:
Der Flügel ist wesenlich schwerfälliger als meiner.

Ich bin froh, dass mal jemand so etwas schreibt, fips, mir fällt es immer schwer mich umzustellen und dann meine Vorstellungen aufs Instrument zu bringen.

LG
violapiano
 
Das geht mir auch so, Fips, guter Punkt!

rolf, und alle anderen: ich bin immer wieder begeistert, wie ihr es schafft, Sachen, die so schwer in Worte zu fassen sind, doch zumindest ansatzweise hier aus der Ferne zu erlaeutern! Nur eines:

Zitat von rolf:
Angenommen, Du triffst den Klang, den Du haben willst: interessiert dann überhaupt noch, wie das zustande kam??? Natürlich nicht: das "merkt" sich Dein Bewegungsapparat - unsere Nerven, unser Tastsinn: das ist enorm präzise und verläßlich. -- kommt rüber, was ich meine?

Da bin ich nicht ganz sicher. Denn ich glaube, dass ein- und derselbe (oder zumindest ein sehr aehnlicher) Klang (innerhalb den Toleranzen der Wahrnehmungsgrenze) durch leicht unterschiedliche Bewegungsvorgaenge hervorgerufen werden kann. Und wenn ich denselben oder einen sehr aehnlichen Klang auch noch etwas leichter erzielen kann, dann kommt das meinem Spiel ueber laengere Strecken zugute. Aber wahrscheinlich ist das der - vermutlich nie endende - Prozess der Verfeinerung und Oekonomisierung der Bewegungen am Klavier, und sicher entwickelt sich auch die Klangvorstellung eingehend mit dieser motorischen Verfeinerung immer weiter. Naja, ich sollte eigentlich nicht "sicher" schreiben, sondern "ich spekuliere gerade wild und ohne Substanz vor mich hin" :p
 

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