Wie im Forum bereits an anderer Stelle festgestellt, ist der überwiegende Teil der heute angebotenen Klaviere bereits mit einer weiteren Auslösung reguliert, weil praktisch alle mit Moderator ausgeliefert werden. Das kann also nicht wirklich ein Problem sein.
Bei Klavieren, bei denen sich die Hämmer in horizontaler Richtung zur Saite hin bewegen, spielt dieser Punkt ohnehin eine viel geringere Rolle als bei Flügeln, bei denen die Hämmer entgegen der Schwerkraft angehoben werden müssen. Wie weit der Weg ist, den der Hammer nur noch durch den zuvor erhaltenen Schwung zurücklegen muss, hat daher bei Flügeln einen erheblich größeren Einfluss auf die Kontrolle, die man beim Drücken der Taste über den Hammer ausübt. Das ist auch der Grund, warum es bisher bei Silent-Klavieren keine "doppelte Auslösung" gibt wie bei Flügeln.
Zur Erinnerung: Auslösung nennt man den Punkt, an dem der Hammer praktisch von der Taste abgekoppelt wird. Die Auslösung ist deshalb nötig, damit der Hammer auch bei weiterhin gedrückter Taste (also bei allen anderen als Stakkato-Anschlägen) die Saite nach dem Anschlagen freigibt und nicht gleich wieder abdämpft.
Wie schon erwähnt haben
yamaha Silent-Klaviere eine Auslösung von 8 mm (ich habe auch 10 mm gemessen). Trotzdem wird übrigens ein erheblicher Anteil heute mit Silent-Systemen verkauft. Diese Auslösung ist in der Tat ziemlich weit und lässt sich damit erklären, dass Yamaha nicht das Risiko eingehen will, dass noch irgend ein Ton akustisch angeschlagen wird, egal wie laut man spielt. Aber auch bei diesen Systemen kann man die Position der Stoppleiste und entsprechend auch die Auslösung verändern und nachrüstbare Systeme haben ohnehin den Vorteil, dass sie auf die Spielweise des Nutzers eingestellt werden können. D. h. bei einem Ragtime- oder Rachmaninov-Spieler wird man vielleicht wirklich 8 oder 10 mm einstellen, bei normalem Anschlag reichen durchaus auch 5 mm aus.
Man darf nicht vergessen, dass die Silent-Einrichtung nur eine Übungsfunktion ist, die das akustische Spiel niemals ersetzen, sondern nur ergänzen kann. Sie erleichtert ungemein das Vorbereiten von Stücken und verschont Nachbarn und Mitbewohner vor lästigen Fingerübungen, wenn es aber um wirkliche dynamische Feinheiten geht, muss man akustisch spielen!
Ich baue seit fast 14 Jahren Silent-Systeme ein, bei hundert habe ich vor Jahren aufgehört zu zählen, und kann mich an keine Beschwerde erinnern, dass sich die Spielart nennenswert verschlechtert hätte. In der Zeit sind die Systeme außerdem erheblich besser geworden, vor allem bei der Sensortechnik. Diese benötigt heute viel weniger Platz unter den Tasten und arbeitet teilweise sogar völlig berührungsfrei (
Korg). Aber auch die neue Quiet Time Sensorleiste funktioniert sehr gut und hat nur einen äußerst geringen Einfluss auf die Spielart.
Viele Klavierbauer haben immer noch irrationale Berührungsängste (anders kann man das nicht werten) statt zu erkennen, wie wichtig es für eine leider schwindende Branche ist, die Chancen der neuen Technik in Verbindung mit traditioneller Handwerkskunst zu nutzen. Diese falsch verstandenen Puristen geben das Feld kampflos den E-Pianos preis. Dabei sind Silent-Klaviere die einzig wahre Antwort auf die Anforderungen der modernen Mietwohnungen. E-Pianos dagegen sind bekanntlich nicht mehr als der eigentliche Nachfolger der Heimorgel!
Martin Deuker, Berlin
www.deukerpiano.de