Vomblattspiel als Klavierlehrer

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Karlheinz Klopweisser

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26. Mai 2020
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Hallo liebe Klavierlehrerkollegen,

ich bin seit etlichen Jahren als Klavierlehrer tätig. Ab und an hatte ich auch schon weiter fortgeschrittene Schüler, mit denen dann bspw. leichtere Chopin-Etüden oder -Impromptus, Mozart- oder Beethoven-Sonaten im Unterricht gearbeitet wurden.

Ich persönlich bin ein Lehrer, der die gegebenen Erläuterungen gerne durch eigenes Vorspielen ergänzt, damit der Schüler besser versteht, worum es geht und der Schüler auch motiviert wird (Meister-Schüler-Verhältnis; "was mein Lehrer kann, kann ich auch lernen")

Dann gibt's auch Schüler, die irgendwelche schweren Noten anschleppen (die sie nicht lernen können) und den Lehrer testen wollen, was er kann und ihn bitten, vorzuspielen.

Dabei habe ich mir schon oft die Frage gestellt "auf welchem Niveau sollte ein Klavierlehrer vom Blatt spielen können?" Denn je nach im Unterricht behandeltem Stück ist mir dies nicht immer gleichermaßen gelungen bzw. es war dann notwendig, daß ich das Stück selbst ein wenig habe üben müssen, um entsprechende Inhalte zeigen zu können (weil es natürlich peinlich ist, dem Schüler Dinge zu erklären, die man selbst nicht ad hoc demonstrieren kann). Es heißt landläufig, der "Diplom-Musiklerer" oder "Bachelor pädagogisch" würde reichen. Doch, je nach Schüler, ist wohl ein Master-Abschluß oder das Konzertexamen gewiß nicht nur kein Fehler, sondern notwendig??

Gewiß gibt es Lehrer, die ab einem bestimmten Niveau nichts mehr vorspielen, sondern nur noch erklären (weil es den Schülern auf ihrem Niveau genügt), aber davon halte ich wenig. Bernd Glemser etwa ist da sehr bewundernswert, kann er doch scheinbar alles, was er unterrichtet, mühelos vom Blatt demonstrieren!

Also, wie gut oder auf welchem Niveau - anhand konkreter Beispiele - sollte man einigermaßen sicher vom Blatt spielen können, obwohl man die Noten noch nie oder schon vor zig Jahren letztmals gesehen hat?
 
Du schreibst hier unter "Klavierspielen und Klavierüben", deshalb erlaube ich mir, einfach als Klavierschülerin zu antworten, die gerade auch mit so etwas anspruchsvolleren Sachen zugange ist, gerade mit einer Nocturne von Chopin.
Ich finde es nicht wichtig, dass meine Klavierlehrerin selbst alles gleich vom Blatt spielen kann. Sie soll mir die Notation erklären können. Ansonsten habe ich es schon öfter gehabt, dass wir gemeinsam etwas online angehört haben, um einzelnen Stellen nachzuspüren, die ja auch unterschiedlich interpretiert werden können. Es ist mir wichtiger, mit jemandem sprechen zu können und Inspirationen zu bekommen, wie ich meine Projekte umsetzen kann.
Ich bin zwar keine Anfängerin mehr, aber so richtig fortgeschritten auch nicht. Schon meine erste Klavierlehrerin, die ich nach langen Jahren als Wiedereinsteigerin als erste hatte, sagte gelegentlich: "Das können Sie besser als ich, Sie haben das ja geübt" - (was eine völlige Übertreibung war) - sie ist eine Konzertpianistin.
Die zweite, die ich hatte, hat sich geweigert, mir längere Passagen vorzuspielen, das sei sinnlos.
Ich denke, dass das Vor- und Nachspielen ab einem gewissen Level nicht mehr zweckmäßig ist.
Das ist bei anderen Sachen auch so. Ich glaube, Fußballtrainer machen in der Bundesliga auch nichts mehr vor, oder?
 
Lieber @Karlheinz Klopweisser,

ich halte es nicht für wichtig oder notwendig, dass man ein anspruchsvolles Stück konzertreif im Unterricht spielen kann. Ich halte es aber für wichtig, dass man zeigen kann, was man dem Schüler gerade vermitteln möchte. Einigermaßen gutes Vom Blatt-Spiel hilft da natürlich, ist aber nicht zwingend notwendig, denn auch der Lehrer kann vorher üben. :D Er weiß ja, welche Stücke "dran" sind im Unterricht.

Ich habe mal in einem Meisterkurs Natochenny Scarbo unterrichten hören. Er hat der Schülerin eine Passage daraus vorgespielt und gezeigt, was ihm wichtig war. Das war beileibe nicht konzertreif, aber es reicht eben, das Wesentliche zu skizzieren. Man muss ja nicht alle Töne spielen.

Ich übe außerdem wenigstens rudimentär anspruchsvolle Stücke, die ich unterrichte und nie selbst gespielt habe, weil ich dann besser unterrichte. Oder gehe sie mental durch. Wie will ich Fingersätze für eine herausfordernde Stelle unterrichten, wenn ich sie nicht selber mal probiert/angefasst habe? Nur mental reicht mir da oft nicht.

Schüler kommen sehr gut damit zurecht, wenn man Stücke/Stellen nicht perfekt spielt oder nur auszugsweise kann. Aber vorspielen halte ich immer für wichtig, da man bestimmte Aspekte so sehr gut zeigen kann und der Schüler gleich hört, was ich meine.

Also, nur Mut und ran an den Speck!

Liebe Grüße

chiarina
 
Nein. Man muss nicht alles gespielt haben....Es reicht doch völlig, wenn man eine Stelle z.B. mit einer Hand so spielen kann, dass das, was man erklären will dabei klar wird.

Ich habe es auch schon anders erlebt. Meine Klavierlehrerin im Studium war eine grandios gute Pianistin, die tatsächlich alles vorspielen konnte, meistens auswendig. Nicht immer so unglaublich hilfreich, manchmal war die wichtigste Erkenntnis der Klavierstunde: Okay, sie kann es besser als ich.
 
Meiner Meinung ergibt sich ein gutes Blattspiel automatisch, wenn man auf Hochschulniveau übt. @Karlheinz Klopweisser Von welchem Niveau des Balltspiels sprichst Du?
 
Nee, das ergibt sich nicht. Wer sehr langsam und gründlich übt kann oft diese Sachen extrem gut, spielt aber schlecht vom Blatt. das muss man halt auch üben.
 
Nee, das ergibt sich nicht. Wer sehr langsam und gründlich übt kann oft diese Sachen extrem gut, spielt aber schlecht vom Blatt. das muss man halt auch üben.
Da bist du im Irrtum. Und mit "sehr langsam" üben kommst du an der Hochschule auch nicht weit. Um mal eine Hausnummer zu nennen: Stücke im Niveau ABRSM Grade 7 sollte jeder KL flüssig im Blattspiel beherrschen. Das muss nicht in Perfektion sein, aber sicher und annähernd im Zieltempo.
 
Ich sehe es wie @chiarina , immer sollte man sich als Lehrerlein mit den Stücken beschäftigen.
Wir sollten als Lehrpersonen den Lehrlingen immer voraus sein, sonst ist nix mit beibringen.
Es ist ein ungemeiner Vorteil, wenn man gut vom Blatt spielen kann.
Und man kann das lernen.
 
Da bist du im Irrtum. Und mit "sehr langsam" üben kommst du an der Hochschule auch nicht weit. Um mal eine Hausnummer zu nennen: Stücke im Niveau ABRSM Grade 7 sollte jeder KL flüssig im Blattspiel beherrschen. Das muss nicht in Perfektion sein, aber sicher und annähernd im Zieltempo.
Ich nehme an, du hast schon mal eine Hochschule von innen gesehen?
 
Ich nehme an, du hast schon mal eine Hochschule von innen gesehen?
Anstatt hier persönlich zu werden, könntest du ja zur Abwechslung mal ein paar Argumente ins Feld führen, warum man als KL:in trotz abgeschlossenem Hochschulstudium keinerlei Ahnung vom Blattspiel haben kann. Außer dass man natürlich "sehr langsam" übt. Abgesehen davon scheint der Threadersteller auch schon jedes Interesse an seinem Faden verloren zu haben.
 
Anstatt hier persönlich zu werden, könntest du ja zur Abwechslung mal ein paar Argumente ins Feld führen, warum man als KL:in trotz abgeschlossenem Hochschulstudium keinerlei Ahnung vom Blattspiel haben kann. Außer dass man natürlich "sehr langsam" übt. Abgesehen davon scheint der Threadersteller auch schon jedes Interesse an seinem Faden verloren zu haben.
Nö, ich werde nicht persönlicher als Du, weil Du mir ja auch indirekt unterstellst, von Hochschule keine Ahnung zu haben. Ich habe ausgezeichnete Pianisten erlebt, die die nun wirklich technisch schwere Literatur sehr gründlich und gewissenhaft geübt haben, aber vom Blatt war ich als Kirchenmusiker fitter, weil wir eben nicht die Zeit hatten, jeden Klavierauszug für die Chorprobe bis ins Detail zu üben.
 

„Gründlich und gewissenhaft“ ist aber etwas anderes als „langsam“. Erschließt sich mir nicht, warum man bei gründlichem und gewissenhaftem Üben ein schlechter Blattspieler werden soll.
 
Ich habe nie erlebt, daß Karl-Heinz Kämmerling seinen Schülern jemals etwas vorgespielt hat. Böse Stimmen behaupten, er habe gar nicht klavierspielen können. Aber ob er deswegen ein schlechter Klavierpädagoge war?
 
„Gründlich und gewissenhaft“ ist aber etwas anderes als „langsam“. Erschließt sich mir nicht, warum man bei gründlichem und gewissenhaftem Üben ein schlechter Blattspieler werden soll.
Es sagt auch niemand, dass
gründlich und gewissenhaft -> schlechter Blattspieler
sondern:
Wer gründlich und gewissenhaft übt, KANN TROTZDEM ein schlechter Blattspieler sein. zB wenn man das Stück schnell auswendig kann und dann nur noch auswendig übt, bzw. nicht mehr auf die Noten im Detail schaut, sondern zB nur noch Dynamikvorgaben kontrolliert.

Auch manche Toppianisten nehmen noch "Unterricht". Da kann ein KL wohl kaum besser spielen als der "Schüler". Trotzdem profitiert der Schüler davon, bekommt Feedback zum eigenen Spiel und hat musikalischen Austausch. Der Unterricht ist dann eben anders strukturiert als bei einem Anfänger.
 
Unterricht sollte so erfolgen, dass der Schüler nicht extrapolieren muss.
 
Extrapolieren setzt Wissen voraus. Wenn bei einer unvollständigen Erklärung (oder einem schlechten Vorspiel) erst überlegt werden muss, was eigentlich gemeint ist (=extrapolieren), verlangsamt, oder verhindert man, dass der Schüler den Inhalt versteht. Im schlechtesten Fall spielt der Lehrer etwas vor, was nach SEINEM Verständniss eindeutig den zu lehrenden Sachverhalt zeigt. Wenn der Schüler aber nicht genau weiß, worauf er achten muss, sagt er "ja ja", hat aber nix verstanden. Das frustriert dann beide Seiten. Also wenn der Lehrer vom Blatt spielt, obwohl er die Stelle (noch) nicht kann, könnte das beim Schüler falsch ankommen und der achtet dann nicht mehr aufs Wesentliche.
Blattspiel sollte also zumindest so gut beherrscht werden, dass beim Schüler keine fehlerhaften Informationen ankommen. Es gibt genug Lehrer, die etwas halbherzig klimpern und dann sagen "du weißt schon was ich zeigen will"...
 
Extrapolieren setzt Wissen voraus. Wenn bei einer unvollständigen Erklärung (oder einem schlechten Vorspiel) erst überlegt werden muss, was eigentlich gemeint ist (=extrapolieren), verlangsamt, oder verhindert man, dass der Schüler den Inhalt versteht. Im schlechtesten Fall spielt der Lehrer etwas vor, was nach SEINEM Verständniss eindeutig den zu lehrenden Sachverhalt zeigt. Wenn der Schüler aber nicht genau weiß, worauf er achten muss, sagt er "ja ja", hat aber nix verstanden. Das frustriert dann beide Seiten. Also wenn der Lehrer vom Blatt spielt, obwohl er die Stelle (noch) nicht kann, könnte das beim Schüler falsch ankommen und der achtet dann nicht mehr aufs Wesentliche.
Blattspiel sollte also zumindest so gut beherrscht werden, dass beim Schüler keine fehlerhaften Informationen ankommen. Es gibt genug Lehrer, die etwas halbherzig klimpern und dann sagen "du weißt schon was ich zeigen will"...
Das sehe ich jetzt anders. Bei kleinen Schülern vielleicht, aber das wird man vom Blatt spielen können. Ab einem gewissen Alter ist dann aber auch für den Schüler klar, dass man manche Sachen üben muss und ein Lehrer eben nicht alles sofort verfügbar hat. Und eine Sache so schlecht demonstrieren, dass der Inhalt nicht erkennbar ist, ist nun fast schon eine Kunst.
Umgekehrt hilft eben perfektes Vorspiel auch nicht wirklich immer weiter...s. mein Beitrag zu meinem Unterricht an der Hochschule.
 

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