Trendwende mit neuer Lust am Singen, Meldung in der nmz

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"Neue Lust am Singen - Chöre sehen Trendwende nach Corona", so die Überschrift eines gestern auf der nmz-Website erschienenen Artikels.

Wenn ich mir die aktuellen Krankmeldungen in meinem Umfeld so anschaue, fällt es mir zwar schwer, von "nach" Corona zu sprechen, aber davon mal abgesehen: seht Ihr, die Ihr in Chören aktiv seid, auch eine Belebung, oder ist alles wie immer?

 
Die Zeiten, in denen Singen als "Hochrisikosportart" galt haben sicher zu einer gewissen Bereinigung der Szene geführt und dort, wo Möglichkeiten oder Wille zu virtuellen treffen fehlten auch nochmal beschleunigt. Dennoch bin ich der Meinung, dass diejenigen Chöre, in denen eine gute Arbeit geleistet wird, sich auch schnell wieder erholt haben. Entscheidend wird sein, wie die bestehenden Ensembles es schaffen werden, sich zu verjüngen und leistungsfähig zu erhalten. So zumindest die Beobachtung in meinem näheren Umfeld. Regelmäßig kommen Anfragen von neuen Interessentinnen (überwiegend weiblich und auch meist in der Generation 50+), die aus Gründen der Ausgewogenheit in jeglicher Richtung nicht alle aufgenommen werden können.

In dem verlinkten Artikel schwingt für mich auch ein bisschen Lifestyle mit. Singen wird zunehmend als Möglichkeit einer selbstwirksamen Betätigung wahrgenommen. Auch da hat sich in den letzten Jahren einiges gewandelt. Ich singe seit meiner Schulzeit in Kantoreien und Konzertchören unterschiedlichster Besetzungsstärke. Früher war es beispielsweise nicht üblich, dass Laiensänger Gesangsunterricht nahmen, heute ist das zumindest in meinem Umfeld mindestens gerne gesehen, i. d. R. erwünscht und manchmal sogar Voraussetzung.
 
Wenn ich mir die aktuellen Krankmeldungen in meinem Umfeld so anschaue, fällt es mir zwar schwer, von "nach" Corona zu sprechen,
Früher hatte man einen "grippalen Infekt" bzw. eine "Erkältung", und wenn man nicht Fieber hatte oder sich völlig elend fühlte, ging man zur Arbeit.

Heute sieht es anders aus, und das hat schwere Folgen für viele Bereiche, in denen Personal unbedingt gebraucht wird. Sobald irgendwas Erkältungsmäßiges im Anzug ist, testen sich die Corona-Gläubigen (mit den bekanntermaßen sowieso unzuverlässigen Schnelltests), und schon hat man das Totschlagargument, um schön zu Hause bleiben zu können.

Eine wirklich fatale Entwicklung. Die Schwelle, sich krankschreiben zu lassen (auch wegen "Rücken", "Deprimiertheit" oder Menstruation), sinkt generell immer weiter. Auch Blaumachen liegt im Trend.
 
Keine Ahnung, in welchem Umfeld du lebst hasenbein, aber ich bin ausschließlich von Leuten umgeben, die man zur Krankschreibung zwingen muss (inkl. mir selbst). Wenn ein Arbeitgeber Mitarbeiter hat, die ständig krank sind, würde ich mir als Arbeitgeber ganz dringend Gedanken über die Unternehmenskultur machen. Leider ist die oft schlecht - man weiß ja, woher der Fisch standardmäßig stinkt. Corona gibt's übrigens noch, ich hatte es erst letztens. War keine Freude, aber auch nicht so schlimm wie vor ein paar Jahren.

Und zum Thema: Ich kann berichten, dass zumindest die Kinderchorarbeit noch nicht an dem Punkt ist, an dem sie mal war. Immer weniger Kirchengemeinden haben überhaupt Kinderchöre bzw. Kinderchorarbeit, auch wenn die bestehenden meinem Eindruck nach inzwischen auch wieder Aufführungen haben. Von einer Neuen Lust am Singen habe ich nichts mitbekommen, aber ich bin auch nicht das Maß aller Dinge.
 
Ich beobachte das ein bisschen anders als Stilblüte.
Ich denke da kommen verschiedene Dinge zusammen. Zum einen gibt es ein verstärktes Interesse am Singen durch die vielen Casting-Shows. Da entdecken Jugendliche tatsächlich das singen für sich und testen das aus. Bei uns im Ort (ca. 10.000 Einwohner) gibt es mindestens 7 weltliche Chöre plus noch die Fasnachtsvereine und kirchlichen Chöre. Zumindest die weltlichen Chöre wachsen bei uns auch. Ich bin in einem Pop-Chor und wir sind mittlerweile so ca. 60 Aktive. Vor 18 Jahren war der Chor so gut wie tot und bestand nur noch aus einer Handvoll Leuten. Parallel wird der Zugang vereinfacht. Bei uns gibt es ein VHS Angebot, Singen mit gleichgesinnten oder so ähnlich. Da treffen sich eine Menge Leute und Singen ohne Noten, ohne Einsingen oder Stimmbildungsübungen einfach Pop-Songs nach Konserve. Dazu muss man nichts können und nichts üben, das kommt im Moment gut an und ist immer gut besucht. Damit erreicht man Menschen die das schon immer gerne mal machen wollten, sich das aber nicht getraut haben.
 
Früher war es beispielsweise nicht üblich, dass Laiensänger Gesangsunterricht nahmen, heute ist das zumindest in meinem Umfeld mindestens gerne gesehen, i. d. R. erwünscht und manchmal sogar Voraussetzung.
Wir bieten in den Gesangvereinen Stimmbildung an (in der Gruppe). Manche Leute nutzen das gerne und ausgiebig, andere interessiert das überhaupt nicht. Wenn jemand nach Einzelunterricht fragt, sage ich nicht nein. Aber in keinem der Chöre, mit denen ich regelmäßig arbeite, ist das Voraussetzung. Manche unserer Sängerinnen und Sänger können nicht einmal Noten lesen.
 
Da treffen sich eine Menge Leute und Singen ohne Noten, ohne Einsingen oder Stimmbildungsübungen einfach Pop-Songs nach Konserve.
Das muss man als Chorleitung aber auch mögen.
Für mich wäre das nix. Ich bin durchaus auch für niedrigschwellige Angebote, aber ein kleines Warmup (das auch nach Pop klingen kann) gehört immer dazu; Angebote zum "Rudelsingen" sind hier eigentlich immer mit Live-Musik, entweder mit einer Einzelperson mit e-Piano oder Gitarre, oder mit einer kleinen Band.
 
Keine Ahnung, in welchem Umfeld du lebst hasenbein, aber ich bin ausschließlich von Leuten umgeben, die man zur Krankschreibung zwingen muss (inkl. mir selbst). Wenn ein Arbeitgeber Mitarbeiter hat, die ständig krank sind, würde ich mir als Arbeitgeber ganz dringend Gedanken über die Unternehmenskultur machen.
Die Statistik gibt allerdings @hasenbein Recht. Krankschreibungen sind auf Rekordniveau; und auffällig ist, dass gerade meine Altersgruppe da mit sehr unrühmlichem Beispiel vorangeht. Obwohl es bei 20-25jährigen ja kaum altersbedingte Verschleißerscheinungen gibt, hat diese Gruppe mehr Krankheitstage als die 25-40jährigen. Das finde ich durchaus erschreckend. Und das kann man sicher nicht den Arbeitgebern anlasten.
 
Vielleicht trauen sich die Leute halt inzwischen auch einfach, tatsächlich zuhause zu bleiben, wenn sie krank sind, und sich eben nicht in traditioneller Präsentismus-Manier zur Arbeit zu schleppen.

Aber es wäre schön, wenn wir hier beim Chorgesang bleiben würden. Den unterschiedlichen Umgang mit Krankheiten und Unwohlsein könnte man bei Bedarf sicher an anderer Stelle diskutieren.
 
Von einer Neuen Lust am Singen habe ich nichts mitbekommen
Ich schon. Singen kann man neben Chören auch auf andere Weise organisieren. Seit Jahren bekomme ich z. B. von meiner Nichte immer wieder Verweise auf ihr Singsang auf Smule oder ähnlichen Apps.
Da tun sich Leute aus aller Welt zusammen, um gemeinsam zu singen. Eine für mich wunderschöne Anwendung neuer Technik.
 
Bei den Kinder- und Jugendchören glaube ich gerne, dass die sie noch nicht von der Pandemie erholt haben und ich befürchte, es wird auch noch ein paar Jahre dauern. Der traditionell sehr große und gute Schulchor am Gymnasium zumindest knabbert noch daran. Der letztjährige Abiturjahrgang konnte zumindest in Klassen 5-8 ein Chorangebot wahrnehmen und es galt als erstrebenswert, in Klasse 8 endlich in den "großen Chor" wechseln zu dürfen. Dann waren drei Schuljahre faktisch Zwangspause. Nicht weil das Singen an sich so lange verboten gewesen wäre, sondern weil für Schulen in meinem Bundesland Kohorten gebildet werden mussten (üblicherweise über einen Jahrgang) und sobald in einer Kohorte ein Coronafall auftrat, galten massisve Einschränkungen. Für das Singen kam im besonderen noch hinzu, dass Mindestabstände zwingend eingehalten werden mussten. Die wären - außer in der sowieso ständig belegten Turnhalle - nirgends umsetzbar gewesen. Konsequenz: Chorangebote fielen aus. Die nachrückenden Jahrgänge hatten nun, als sie endlich in den großen Chor hätten wechseln dürfen, wenig Motivation. Die großen Events kannten sie nicht und die Zeit war ratzfatz von anderen Aktivitäten allokiert.

Für die Schule heißt das, dass etwa drei Jahrgänge ganz oder teilweise ausfallen und bei einem Ensemble, das sie sowieso alle 5-6 Jahre komplett erneuert ist das schon ein Schlag ins Kontor.

Diejenigen, die heute in die Erwachsenenchöre streben, hatten als Jugendliche alle die Chance das Singen kennen zu lernen.

Ein Grund für den Boom mag allerdings auch demographisch bedingt sein. Die Generation 45+ hat so langsam keine kleinen Kinder mehr, die abends ins Bett gebracht werden müssen. Da hat man wieder Zeit sich auf sich selbst zu besinnen und sucht neue oder alte Hobbies.
 

Vielleicht trauen sich die Leute halt inzwischen auch einfach, tatsächlich zuhause zu bleiben, wenn sie krank sind, und sich eben nicht in traditioneller Präsentismus-Manier zur Arbeit zu schleppen.
jepp.
Ich arbeite in einer Firma, in der auch vor Corona bereits Homeoffice in gewissem Umfang üblich war. Die Konsequenz war, dass man, wenn es irgendwie ging von zu Hause gearbeitet hat, statt sich krank zu melden.
 
ich gebe Dr. @hasenbein vollumfänglich recht. Unsere Gesellschaft hat sich in Bezug auf Krankheiten, die normal zum Leben gehören sehr verändert.
Aber gehört hier ja nicht zum Thema. Da könnte man 17 eigene Fäden eröffnen...
 
Ich hatte da in NYC mal ein Schlüsselerlebnis - in der Uni gab es viele kleine Räume, die meisten davon ohne Fenster. Wir hatten also einen klein besetzten Kurs in so einem Raum, und eine schwer erkältete Asiatin (vermutlich Chinesin) kam mit Mundschutz herein. Wir schauten sie alle ganz verdutzt an - in unseren Köpfen waren Mundschutze für Menschen kurz vor dem Exitus und Operateure reserviert - und ermutigten sie, den Mundschutz doch ruhig abzunehmen, sowas mache man hier nicht. :016: Well...

Und was das Singen angeht, frage ich mich: Woran liegt es, dass manche Chöre eingehen oder dezimiert werden, andere nicht? Ausschließlich an der Chorleitung...?
 
Und was das Singen angeht, frage ich mich: Woran liegt es, dass manche Chöre eingehen oder dezimiert werden, andere nicht? Ausschließlich an der Chorleitung...?
Ich glaube es liegt am Repertoire und natürlich am auch am Chorleiter. Weltliche Chöre mit ausschließlich klassischem Repertoire haben es schwerer als zum Beispiel Pop oder Gospelchöre, zumal die Stücke in den modernen Chören oft auch deutlich einfacher zu singen sind. Und natürlich am Chorleiter, da haben wir richtig Glück, wir haben den besten der Welt und dementsprechend auch mehr Zulauf.
 
Also ich hab schonmal einen achtstimmigen Gospel gesungen - und auch ansonsten habe ich nicht den Eindruck, dass die Musik viel einfacher ist. Es kommen häufig "ungewohnte" Harmonien vor (Septakkorde, Nonen, Sekundreibungen...) und die Rhythmik ist auch nicht immer ganz leicht. Klar, eine H-Moll-Messe ist es nicht, aber ein Choral ist auch nicht schwieriger. Kann aber natürlich sein, dass solche Musik manche mehr anzieht. Ich mag Gospels und Spirituals auch sehr gerne!
 
Meiner Meinung nach eine Mischung aus kompetenter Chorleitung mit konkreten Vorstellungen und sympathischen Mitgliedern. Eine gute Leitung hat idealerweise auch ein Händchen dafür, dass die Chemie unter den Mitsingenden passt bzw. alle gut miteinander auskommen.
 
Dr. Hasenbein, der Arzt, dem die Frauen aufgrund seines fundierten Fachwissens vertrauen:super:.
Nein, das war Dr. Stefan Frank:

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