Skrjabin

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Tastimo

Guest
Liebe Skjabin-Versteher/innen und Skrjabin-Liebende,

in diesem Forum wird relativ viel über Skjabin gesprochen. Viele haben ihn gespielt, viele mögen seine Musik, und @Marlene erklärte ihn sogar zu ihrem Lieblings-Komponisten.

Ich finde leider trotz vielen Hörens (aber nicht Spielens) bisher keinen Zugang zu dieser Musik. Weder zu den frühen Stücken (die erscheinen mir in einer nicht ansprechenden Weise schwerblütig) noch zu späteren Werken (diese erscheinen mir kraus und wirr).

Nun gefällt mir Musik, die sich, wie Skjabin, im Grenzbereich der Tonalität befindet und darüber hinausgeht, prinzipiell schon gut, z.B. Debussy, Zemlinsky, Bartok oder Prokoffiew.

Auch finde ich die Skjabins Idee des Farbenklaviers und den „mystischen Akkord“ an sich sehr faszinierend. Dennoch tue ich mich sehr schwer mit seiner Musik.

Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen?
Muss man Skrjabin selbst spielen, um einen Zugang zu finden?
Worauf kann man beim Hören besonders achten, um Skjabins Musik zu verstehen? Gibt es Schlüsselwerke, die bei euch den Funken haben überspringen lassen haben?
 
Helfen kann ich Dir sicherlich nicht, weil meine Kenntnisse und Fähigkeiten dazu nicht ausreichen. Aber da Du mich angesprochen hast berichte ich über meine Erfahrungen mit Skrjabins Musik.

(…) noch zu späteren Werken (diese erscheinen mir kraus und wirr).

Das sind sie in der Tat. Jemand hat mal scherzhaft zu mir gesagt: „Skrjabin war bekloppt, den kannst Du spielen wie Du willst“.
;-)

Dennoch tue ich mich sehr schwer mit seiner Musik.

So ergeht es mir mit Chopin, Mozart und Bach.

Muss man Skrjabin selbst spielen, um einen Zugang zu finden?

Ich habe über das Hören zu seiner Musik gefunden, damals (Winter 2011) hatte ich erst vier Monate Unterricht.

Worauf kann man beim Hören besonders achten, um Skjabins Musik zu verstehen?

Ich höre auf alles, ich empfinde seine Musik als ein Gesamtkunstwerk. Für das „richtige“ Hören fehlt mir aber leider das erforderliche musikalische Wissen über die (harmonischen) Hintergründe und Zusammenhänge.

Gibt es Schlüsselwerke, die bei euch den Funken haben überspringen lassen haben?

Die Fantasie op. 28 war das erste Stück, das ich von Skrjabin gehört habe (live). Es hat mich in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt.

Und seine 10. Sonate. Als ich sie erstmals gehört habe (auch live) wusste ich nichts darüber, ich hatte sie zuvor nicht gehört. Bei den ersten Klängen habe ich die Augen geschlossen und vor meinem inneren Auge sah ich eine lichtdurchflutete Lichtung, Massen von Insekten tanzten im Sonnenlicht, durch die Bäume strichen die „Finger Gottes“. Im Hintergrund glitzerte das Sonnenlicht auf einem kleinen See.

Einige Tage nach dem Konzert habe ich mich im Internet über die Sonate informiert und erstaunt gelesen, dass Skrjabin sie „Insektensonate“ genannt hat.

Und dann op. 11 Nr. 9, das @pianochris66, für das Gemeinschaftsprojekt bei einem meiner Treffen aufgenommen hat. Weil ich zuvor aus Unwissenheit nur Spätwerke gehört hatte, habe ich Skrjabins Musik längere Zeit nicht mehr angehört. Ich war hingerissen von Christians Interpretation des Präludiums und habe mir in diesem Moment fest vorgenommen, es zu lernen, wenn meine Fähigkeiten an den Tasten es zulassen. Dieses Gemeinschaftsprojekt hat mich zu Skrjabins Musik zurückgeführt. Damals hatte ich z.B. die 9. Sonate oder Vers la flamme nur kurz anhören können und schaudernd weggeklickt. Jetzt faszinieren mich diese Werke (z.B. auch das - ich hätte es vor einigen Jahren keine 10 Sekunden angehört). Ob ich das Skrjabin oder meinem Ex-KL verdanke weiß ich allerdings nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke, @Marlene für deine ausführliche Darstellung deiner Eindrücke!

Ich habe mir alle von dir genannten Werke angehört, und tatsächlich, die Fantasie op. 28 hat endlich (!) etwas in mir zum Schwingen gebracht. Das ist eine Musik, die mich sozusagen abgeholt hat, wo ich gerade bin. Und beim Hören hatte ich große Lust bekommen, dieses Stück selbst einmal zu spielen.

Vom Prelude und der 10. Sonate kann ich das noch nicht sagen, aber das kommt ja vielleicht noch.

Und dann ist mir noch eingefallen, dass ich ja auch einmal ein Buch mit der Biografie von Skrjabin lesen könnte. Möglicherweise entsteht dadurch auch eine Verbindung.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich finde leider trotz vielen Hörens (aber nicht Spielens) bisher keinen Zugang zu dieser Musik. Weder zu den frühen Stücken (die erscheinen mir in einer nicht ansprechenden Weise schwerblütig) noch zu späteren Werken (diese erscheinen mir kraus und wirr).

Vielleicht wirst du ja in seinen mittleren Werken fündig, die die Grenzen der Tonalität weit ausloten aber noch nicht sprengen? Die finde ich in keinster Weise "schwerblütig"/"schwülstig" (schwül schon eher) aber auch noch nicht so "wirr" wie seine späteren Stücke, da sie noch durchaus auf eine "tonale" Art und Weise funktionieren.

Z.B. op. 32 no. 1 (das ich wirklich einfach nur wunderschön finde):


View: https://www.youtube.com/watch?v=ExMiyH2RzVQ


Oder auch (vor allem der "Kopfsatz") seiner vierten Sonate:


View: https://www.youtube.com/watch?v=lQabCdxJ6DM


Davon ausgehen kann man sich dann langsam zu den späteren Opuszahlen tasten. Schöne Zwischenziele sind z.B. auch das Poeme op. 41, die fünfte Sonate, und auch die Preludes op. 73, die ganz besonders schöne eigene Klangwelten erschaffen.
 
Eine Anmerkung zum Selberspielen:
Kaum ein genialer Komponist dieser Epoche hat so viele Stücke geschrieben, die bereits auf Mittelstufen Level gespielt werden können.
Dabei geht natürlich etwas von der klanglichen Raffinesse verloren, aber wir akzeptieren bei Schülern und/oder Laien ja auch, dass Mozarts geniale d-Moll Fantasie in einigen Details nicht absolut perfekt ist.
 
Der eine oder andere wird sich noch an die ehemalige DDR erinnern - und an die Edition Peters. Durch unzählige Verwandschaftsbesuche ist im Laufe der Jahre ein großer Batzen an Klavierliteratur in Notenform bei mir gelandet - unter anderem eben auch der komplette Skrjabin. Das war zu der Zeit, als ich ernsthaft angefangen habe, Klavier zu spielen, also als ich 16 oder 17 war - und mich hat von Anfang an das Notenbild fasziniert, das so komplett anders war, als ich es bisher kannte und das an sich war schon einmal reizvoll.

Um's zu verstehen, habe ich mir dann die Biografie von Sigfried Schibli gekauft, die gottseidank auch vieles Analytische zum Werk und damit zu meinem Verständnis beigetragen hat. Horowitz' Aufnahmen waren die ersten, die ich dann überhaupt erst einmal gehört habe, später dann den Sonatenzyklus mit Roberto Szidon und nach und nach konnte ich dann irgendwann einmal guten Gewissens sagen: "Moi aussi, je suis Scriabiniste".

Die h-moll Fantasie ist eines meiner Lieblingswerke, weil es unnachahmlich den Übergang vom Noch-Romantiker zum komplett eigenständigen Scriabin mit seiner abgefahrenen Polythythmik, irrwitzigen Dynamik und drängendem Impetus darstellt. Das große Glück, lange mit Igor Zhukov gearbeitet zu haben, hat dann auch dazu geführt, dass ich diese Aufnahme anfertigen konnte:

https://soundcloud.com/peter-lemken-578808545

Leider habe ich erst jetzt überhaupt von dem Gemeinschaftsprojekt erfahren und mich teilweise durch den Thread durchgekämpft. Das A-Dur Prélude scheint aber immer noch nicht zu existieren; vielleicht könnte man über eine Neuauflage nachdenken. Die beiden ersten Preludes habe ich ja schon an anderer Stelle hier im Forum selbst eingespielt und gepostet.

OK, ich geh dann mal wieder üben.
 
Skrjabin liebe ich sehr. Allerdings hat er eine gewaltige Entwicklung vom Romantiker zum fast Atonalen vollzogen, dass man immer dazusagen muss, WELCHEN Skrjabin man meint. Gut kann man diese Entwicklung bei den Sonaten verfolgen oder bei seinen Préludes.
 

Habe ich mir vorgestern auch schon angeschaut und war sehr angetan davon - bis sie sich dann an ihr Digitaklavier setzte und versuchte, ein 'Happy Birthday' à la Scriabin zu produzieren...
 
Und seine 10. Sonate. Als ich sie erstmals gehört habe (auch live) wusste ich nichts darüber, ich hatte sie zuvor nicht gehört. Bei den ersten Klängen habe ich die Augen geschlossen und vor meinem inneren Auge sah ich eine lichtdurchflutete Lichtung, Massen von Insekten tanzten im Sonnenlicht, durch die Bäume strichen die „Finger Gottes“. Im Hintergrund glitzerte das Sonnenlicht auf einem kleinen See.

Einige Tage nach dem Konzert habe ich mich im Internet über die Sonate informiert und erstaunt gelesen, dass Skrjabin sie „Insektensonate“ genannt hat.
Ha! Das ist ja der Wahnsinn. :-)

Eine Anmerkung zum Selberspielen:
Kaum ein genialer Komponist dieser Epoche hat so viele Stücke geschrieben, die bereits auf Mittelstufen Level gespielt werden können.
Dabei geht natürlich etwas von der klanglichen Raffinesse verloren, aber wir akzeptieren bei Schülern und/oder Laien ja auch, dass Mozarts geniale d-Moll Fantasie in einigen Details nicht absolut perfekt ist.
Könntest Du da netterweise ein, zwei Beispiele nennen? :001: Ich habe noch nie was von Skrjabin gespielt. Im Unterricht nicht, und auch danach nicht (er galt bei meiner KL als "schwerer" Komponist) - habe den Eindruck, dass in seiner Klaviermusik generell viele weite Griffe und große Akkorde vorkommen, was ich nach meinem früheren Sehnenscheiden-Zirkus heute lieber vermeide, wenns geht. Dennoch würde ichs gerne mal probieren mit ihm, gerade wenns Ausnahmen gibt, die relativ leicht zu erlernen sind.
 
Super, danke! Da werde ich auf jeden Fall fündig! :bye:
 

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