Fips7
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Hallo miteinander,
beim Claviotreffen in Wien hatten wir einmal im Nebenraum die Frage, ob man an einem Stück Veränderungen vornehmen dürfe oder nicht. David spielte uns das b-Moll-Scherzo von Chopin vor und beim Blick in seine Noten stellten wir fest, dass im A-Dur-Mittelteil die delicatissimo-Stellen vom Herausgeber aneinander angeglichen und daher verändert worden waren.
Die einhellige Meinung dazu war, dass dies nicht erlaubt sei. Mir fiel dazu aber eine DVD ein, auf der Alfred Brendel hinsichtlich einer Stelle aus Schuberts Klaviersonate in a-Moll, D. 845 (op. 42) für eine Veränderung bzw. Ergänzung plädiert.
Es geht um den 2. Satz dieser Sonate, der in Variationenform komponiert ist. Das Thema ist formal so aufgebaut: 16 Takte + 16 + 16 Takte. In der ersten Variation stehen hingegen: 16 Takte + 12 + 12 Takte. Brendel ist nun - mit Paul Badura-Skoda - der Ansicht, dass man hier die fehlenden Takte ergänzen müsse.
Das klingt zunächst sinnvoll. Aber weiter hinten im Satz hält Schubert das 16+16+16-Schema auch nicht immer ein. Es gibt gelegentlich überleitende Takte zwischen den Variationen bzw. zwischen zwei Teilen einer Variation. Aber diese Überleitungen haben vielleicht nicht dasselbe Gewicht wie die fehlenden Takte in der ersten Variation.
Was meint ihr dazu?
Hier Brendels Vortrag im Wortlaut:
Unten haben ich die Noten des Themas und der ersten Variation als PDF drangehängt.
Grüße von
Fips
beim Claviotreffen in Wien hatten wir einmal im Nebenraum die Frage, ob man an einem Stück Veränderungen vornehmen dürfe oder nicht. David spielte uns das b-Moll-Scherzo von Chopin vor und beim Blick in seine Noten stellten wir fest, dass im A-Dur-Mittelteil die delicatissimo-Stellen vom Herausgeber aneinander angeglichen und daher verändert worden waren.
Die einhellige Meinung dazu war, dass dies nicht erlaubt sei. Mir fiel dazu aber eine DVD ein, auf der Alfred Brendel hinsichtlich einer Stelle aus Schuberts Klaviersonate in a-Moll, D. 845 (op. 42) für eine Veränderung bzw. Ergänzung plädiert.
Es geht um den 2. Satz dieser Sonate, der in Variationenform komponiert ist. Das Thema ist formal so aufgebaut: 16 Takte + 16 + 16 Takte. In der ersten Variation stehen hingegen: 16 Takte + 12 + 12 Takte. Brendel ist nun - mit Paul Badura-Skoda - der Ansicht, dass man hier die fehlenden Takte ergänzen müsse.
Das klingt zunächst sinnvoll. Aber weiter hinten im Satz hält Schubert das 16+16+16-Schema auch nicht immer ein. Es gibt gelegentlich überleitende Takte zwischen den Variationen bzw. zwischen zwei Teilen einer Variation. Aber diese Überleitungen haben vielleicht nicht dasselbe Gewicht wie die fehlenden Takte in der ersten Variation.
Was meint ihr dazu?
Hier Brendels Vortrag im Wortlaut:
Zitat von Alfred Brendel:Der zweite Satz ist einer der großartigsten Variationensätze Schuberts. Sein Thema bewegt sich in graziösem Tanzschritt, beinahe schwebt es. Dass die erste Variation um vier Takte kürzer sein soll als das Thema und alle übrigen Variationen, kann ich nicht glauben. Eine solche Abweichung vom Formschema ist innerhalb der Variationenform, noch dazu in der ersten Variation nach dem Thema, völlig undenkbar. Paul Badura-Skoda hat als erster auf diesen Schreib- oder Stichfehler aufmerksam gemacht und damit Generationen von Interpreten und Herausgebern, die es nicht bemerkt hatten, beschämt. Wie kommt es, dass Schubert diesen und eine Reihe anderer – wenn auch nicht so kardinaler – Fehler nicht korrigiert hat? Man fragt sich hier – wie auch anhand des Erstdrucks der Wanderer-Fantasie –, ob Schubert sich überhaupt die Mühe genommen oder Gelegenheit hatte [sic!], Korrekturen zu lesen. Wenigstens der Text der Wanderer-Fantasie ist aufgrund des Autographs in modernen Ausgaben wiederhergestellt worden. Die Handschrift von Opus 42 dagegen ist leider verschollen. So bleibt es die, nicht allzu schwierige, Aufgabe des Spielers, die fehlenden Takte im Andante stilvoll zu ergänzen.
Unten haben ich die Noten des Themas und der ersten Variation als PDF drangehängt.
Grüße von
Fips
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