J.S.Bach – Vor deinen Thron tret' ich hiermit, BWV 668

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Diese Aufnahme ist meiner geliebten Großmutter gewidmet. Bei ihrer Beerdigung habe ich mich außerstande gesehen, zu spielen. Mit etwas Abstand war es mir aber ein Bedürfnis, ihr, die immer großen Anteil an meiner Leidenschaft für die Musik genommen hat, auch noch auf diese Weise zu gedenken. Den Choral habe ich mit Bildern aus ihrer – unserer – über alles geliebten Heimat, dem Kaiserstuhl unterlegt, die ich an den unwirklich schönen, wenn auch wenig winterlichen Weihnachtstagen 2015 machen konnte. Zwei Fotos vom Münster zu Breisach stammen aus dem Netz; leider konnte ich die Fotografen nicht ausfindig machen. Das Eröffnungsbild habe ich vor Jahren bei einem Aufenthalt in der fränkischen Schweiz gemacht (Pottenstein / Burgruine Leienfels).

Um Bachs "Sterbebett-Choral" ranken sich vielfältige Legenden, seit er in der Erstausgabe der Kunst der Fuge mit der nunmehr berühmten Anmerkung erschien: "Der selige Herr Verfasser wurde durch seine Augenkrankheit und dem kurz darauf erfolgten Tod ausser Stande gesetzt, die letzte Fuge, wo er sich bey Anbringung des dritten Satzes namentlich zu erkennen giebet, zu Ende zu bringen: man hat dahero die Freunde seiner Muse durch Mittheilung des am Ende beygefügten vierstimmig ausgearbeiteten Kirchenchorals, den der selige Mann in seiner Blindheit einem seiner Freunde aus dem Stegereif in die Feder dictiret hat, schadlos halten wollen."

Da der Choral aber nachweislich vorher schon existierte, kann es sich nicht so zugetragen haben, sondern wohl eher wie folgt (frei nach Christoph Wolff, S. 491f.):

In der letzten Woche seines Lebens fiel Bach sein Orgelchoral Wenn wir in höchsten Nöten sein in den Sinn. Er hatte das Stück vor langer Zeit gesetzt und dachte nun daran, daß die Melodie des 16. Jahrhunderts auch auf den Text Vor deinen Thron tret' ich hiermit gesungen werden konnte. Und so bat er vom Sterbebett aus einen seiner Freunde, den Choral vorzuspielen. Dem Stück lauschend, fielen ihm einige kontrapunktische, melodische und rhythmische Einzelheiten auf, die ihm verbesserungswürdig erschienen. Daraufhin bat er den Freund, die Überschrift des Chorals in Vor deinen Thron tret' ich hiermit zu ändern, und diktierte ihm die Verbesserungen, die er für unabdingbar hielt, um vor seines Schöpfers Thron treten zu können. Die überlieferten Quellen dieser Korrekturen legen beredtes Zeugnis ab von dem geistigen wie künstlerischen Engagement des Komponisten gleichsam bis zum letzten Atemzug, lassen zudem die tiefe Frömmigkeit Bachs erahnen. Vor allem jedoch bieten die Korrekturen, die die ältere Fassung von Wenn wir in höchsten Nöten sein auf die Stufe von Vor deinen Thron tret' ich hiermit erheben, ein letztes Beispiel für ein lebenslanges Streben nach musikalischer Vollkommenheit.

Der vierstimmige Choral enthält kaum eine Note, die nicht auf den Cantus firmus Bezug nimmt. Zum intimen, ganz entmaterialisierten Charakter dieser Musik passt, finde ich, auch und gerade eine kleinere Orgel, hier in der Dorfkirche Kleinhüningen (Basel).

 
Zuletzt bearbeitet:
Eine rundherum würdige Ehrung, finde ich.

(Die Kaiserstuhl-Bilder haben mich natürlich auch sehr angesprochen, nachdem wir unlängst dort einige Tage zum Wandern und Entspannen waren.)
 
Sehr schön gespielt, wie immer. :herz:
 
Eine schöne Einspielung und Würdigung Deiner im gesegneten Alter verstorbenen Großmutter. Danke auch für die begleitende Erläuterung zu diesem Werk.
 
Sehr schön gespielt. :-)
 
Vielen Dank lieber Tobias,

schön zu hören und zu lesen, wie Du zu einem würdevollen Abschied für deine Großmutter beigetragen hast. Dank auch für den musikhistorischen Hintergrund, den ich nicht kannte.
Friedrich
 

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