Ein Jahr nach Wiedereinstieg

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Clavifilius

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4. Apr. 2010
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Nun ist es inzwischen schon ein Jahr her, dass ich wieder begonnen habe, Klavier zu spielen - unterstützt durch viele hilfreiche Empfehlungen in diesem Forum.
Ich möchte diesen Anlass nutzen, um von einigen Erfahrungen mit dem Wiedereinstieg zu erzählen und für mich eine Art Zwischenbilanz zu ziehen:

Zunächst einmal war & bin ich glücklich, eine hervorragende Klavierlehrerin in meiner Nähe gefunden zu haben. Der Unterricht macht viel Freude, auch in Zeiten, in denen ich keine erkennbaren Fortschritte mache und glaube, auf der Stelle zu treten.

Im ersten halben Jahr waren die Fortschritte sehr deutlich. Zum ersten Mal gelang es mir, ein anspruchsvolles und längeres Stück (Mozarts d-moll-Fantasie) so einzuüben, dass es mich auch musikalisch weitgehend befriedigte, wenn es auch längst noch nicht perfekt ist. Trotz gelegentlicher Schwierigkeiten aufgrund von perfektionistischen Erwartungen, hat mir diese Mozart-Fantasie viele Glücksmomente geschenkt. Ich habe sie (mit einigen Mühen) auswendig gelernt, was die Konzentration auf Klanggestaltung erleichtert. Immer wenn ich den Eindruck habe, mit dem Klavierspielen nicht recht weiterzukommen, nehme ich mir die Mozart-Fantasie wieder vor. Meine Fortschritte werden dann für mich erneut erlebbar.

Etwa nach einem halben Jahr häuften sich Probleme. Soweit ich mich erinnere, begann es mit Handgelenksverspannungen. Das Problem ist auch heute noch vorhanden, besonders bei Stücken mit vielen Oktaven. Ich kann es bislang einfach nicht lassen, das Handgelenk im "Oktav-Griff" zu fixieren, was dann zu Verkrampfungen führt. Meine KL hat mich zwar darauf hingewiesen und ich merke es auch selbst, aber weiß nicht recht, wie ich es ändern soll.
Ein zweites gravierendes Problem war der Tinnitus, der sich plötzlich eingestellt hatte. Glücklicherweise haben sich die Symptome inzwischen deutlich reduziert, sobald ich aber länger als eine Stunde übe oder ohne den Akustikschaumstoff hinter dem Resonanzboden spiele (sprich: wenn das Klavier volle Lautstärke hat), wird das Pfeifen in den Ohren wieder laut und störend.
Obwohl ich zwischenzeitlich - v.a. wegen des Tinnitus - wenig Lust auf das Klavierspielen hatte, bin ich inzwischen wieder besser motiviert und übe täglich, nicht mehr so viel wie am Anfang, aber immerhin durchschnittlich eine halbe Stunde.

Nach einigen interessanten leichteren Stücken (z.B. dem wirklich amüsanten "Marche funèbre del Signor Maestro Contrapunto") probiere ich aktuell, wieder einen größeren Sprung nach vorn zu machen, indem ich die Pathétique versuche - wobei mir natürlich klar ist, dass diese Sonate für mich ein Langzeit-Projekt ist, das auch nicht im ersten Anlauf bewältigt werden kann.

Für die vielen wichtigen Anregungen einiger Forumsmitglieder im Laufe des ersten Jahres nach dem Wiedereinstieg bedanke ich mich noch einmal herzlich.

Viele Grüße
Clavifilius
 
Hi Clavifilius,

Etwa nach einem halben Jahr häuften sich Probleme. Soweit ich mich erinnere, begann es mit Handgelenksverspannungen. Das Problem ist auch heute noch vorhanden, besonders bei Stücken mit vielen Oktaven. Ich kann es bislang einfach nicht lassen, das Handgelenk im "Oktav-Griff" zu fixieren, was dann zu Verkrampfungen führt. Meine KL hat mich zwar darauf hingewiesen und ich merke es auch selbst, aber weiß nicht recht, wie ich es ändern soll.

Du hast es mM ja eigentlich selber gesagt, du darfst das HG nicht dauernd fixieren, übrigens auch nicht die Spreizung der Finger, sondern eigentlich nur im Moment des Auftreffens auf die Tasten.

Ein zweites gravierendes Problem war der Tinnitus, der sich plötzlich eingestellt hatte. Glücklicherweise haben sich die Symptome inzwischen deutlich reduziert, sobald ich aber länger als eine Stunde übe oder ohne den Akustikschaumstoff hinter dem Resonanzboden spiele (sprich: wenn das Klavier volle Lautstärke hat), wird das Pfeifen in den Ohren wieder laut und störend.
Oh je, leichte Tinnitus Probleme hatte ich auch schon.
Wenn das in stärkerem Masse auftritt mM sofort zum Arzt gehen. Man kann es wie so oft bei frühester Diagnose sehr gut behandeln. Ausserdem gibt es auch noch ausser psychischen Problemen (typisch Stress) rein organische Gründe und die können medikamentös behandelt werden.

Bei mir ist/war es psychisch bedingt durch den Beruf. Ich habe es im Moment sehr gut durch entsprechende Entspannungs-Übungen/Verhalten und Lebenseinstellungs-Änderungen im Griff.
Ausserdem kannst du es mal mit täglichen (zB abends) Kopfständen oder Hochlagerung, damit die Durchblutung im Kopf stärker wird, probieren. Das ist jetzt aber nur ein "Hausrezept" und keine ernsthafte Therapie.

Für die vielen wichtigen Anregungen einiger Forumsmitglieder im Laufe des ersten Jahres nach dem Wiedereinstieg bedanke ich mich noch einmal herzlich.

Finde ich toll, dass du dich bedankst. Vielleicht war ja auch was von mir dabei. ;-)

Gruß
 
Etwa nach einem halben Jahr häuften sich Probleme. Soweit ich mich erinnere, begann es mit Handgelenksverspannungen. Das Problem ist auch heute noch vorhanden, besonders bei Stücken mit vielen Oktaven. Ich kann es bislang einfach nicht lassen, das Handgelenk im "Oktav-Griff" zu fixieren, was dann zu Verkrampfungen führt. Meine KL hat mich zwar darauf hingewiesen und ich merke es auch selbst, aber weiß nicht recht, wie ich es ändern soll.
Hier wird Dir nur viel Geduld helfen, denn vermutlich hast Du Dir diese Verspannungen und Fixierungen schon halbwegs angewöhnt.

Die erste Form der Geduld ist: alles mit Oktaven viel langsamer als bisher spielen - Du wirst dabei die Erfahrung machen, dass zwischen den Anschlägen doch viel Zeit ist. Diese kannst Du zum "ausruhen" (einfach schlaff die Hand hängen lassen) nutzen: also zum entspannen nach einer Aktion. Diese Entspannung nach einem Anschlag musst Du Dir (ja: musst Du!!) bewußt machen - dazu hilft die Zeit.

Die zweite Form der Geduld ist: wenn das Prinzip der (relativen) Entspannung in Hand und Unterarm bewußt geworden ist (wegen der Zeit zwischen den Tönen), dann kannst Du stets einen ersten Anschlag dazu verwenden, ihn als Sprungbrett für den folgenden aufzufassen. Dann liegen Deine Hände/Finger schon auf dem jeweils folgenden Anschlag, bevor Du ihn spielst. Mit anderen Worten: Du bist stets entspannt schon längst auf den erforderlichen Tasten.

Die dritte Form der Geduld ist die schwierigste: sich anzugewöhnen, jeden erforderlichen Griff völlig entspannt und weich zu berühren, bevor er angeschlagen wird. Z.B. eine Oktave muss nicht via aktiver angespannter Spreizung voraus fixiert werden - lässt man die Hand weich hängen, kann man Oktaven und Akkorde quasi wie ein endlos passiv dehnbarer Tintenfisch anfassen (die Oktave ist für entspannte Hände nicht zu weit!).

Des weiteren gilt es, die Scheu davor abzustreifen, dass man die Hände tatsächlich schlapp auf die Tasten legt - m.a.W. man muss nicht ständig die Hände/Finger mit Muskelspannung über den Tasten halten: man kann Finger und Hand auch mehr oder weniger "ablegen". Und keine Angst: die sind nicht so schwer, dass sie die Tasten mit Ton gleich eindrücken (das gilt auch für meine Dezimenakkorde etc gewohnten Pratzen)

Eine weitere hilfreiche Vorstellung für Oktaven ist, dass sie ganz mühelos und selbstverständlich aus dem Arm heraus tropfen - ganz ohne Spannung und Fixation. Hierfür muss natürlich das Handgelenk loslassen können bzw. stets gelockert werden können. Ist das Handgelenk frei, also ständig (!! immer!!) beweglich, dann ist schon viel gewonnen.
 
Hi,

@rolf: klasse Beitrag.

Wobei ich finde, dass eine wirklich entspannte Hand (ich habe eine normale bis ein bischen grösser) keine Oktave greift, eher eine Sexte. Also muss entweder doch eine leichte Dehnung gehalten werden oder man dehnt die Hand erst beim Greifen der Oktave, was aber bei höherem Tempo zu viel Zeit kostet.

Von mir noch 2 meiner Meinung hilfreiche Ergänzungen zum Spielen von schnellen Oktaven:

  1. Ausnutzung des Abprall-Impuls/Zusammenfassen mehrerer Oktaven zu einem Spielimpuls
  2. "Rebound"-Vorstellungen

zu 1.)
Mehrere Oktaven werden zu einem Spielimpuls zusammengefasst, bei dem der Rückprall einer gespielten Oktave so ausgenutzt wird, dass damit die nächste(n) Oktave gespielt wird, ohne dass ein neuer Gesamtimpuls aus dem Arm notwendig wäre. (Oh je, schwer zu erklären)

zu 2.)
Man stellt sich zB vor, dass man mehrere Oktaven so spielt, wie wenn ein Stein, den man übers Wasser schleudert, mehrfach auftitscht und weiterspringt (ist, glaube ich, ursprünglich von Feuchtwanger. Aber wo der's wohl her hat? ;-) ).

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber Bachopin, lieber Rolf,

herzlichen Dank für Eure Rückmeldungen!
Rolfs Anregungen sind famos und für mich äußerst wertvoll.
Ich werde die Ratschläge befolgen und von meinen weiteren Erfahrungen berichten.

@ Bachopin: Die Feuchtwanger-Übungen habe ich mir mal angeschaut. Ich glaube, dazu braucht man einen entsprechend ausgebildeten Lehrer, der das vermittelt.

Viele Grüße
Clavifilius
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hi,
Die Feuchtwanger-Übungen habe ich mir mal angeschaut. Ich glaube, dazu braucht man einen entsprechend ausgebildeten Lehrer, der das vermittelt.

klar mit Lehrer ist immer besser. Aber als Fortgeschrittener kann man sich da mM schon auch allein ranwagen. Ist ja viel zusätzlicher erklärender Text bei jeder Übung dabei. Und auf der dazugehörenden DVD werden alle Übungen vorgeführt. Plus eine allgemeine Lehrstunde von Feuchtwanger.

Ausserdem sind die zuätzlichen einführenden Texte von Blido und anderen auch nicht zu verachten.

Gruß
 
Hi Thomas,

falls du mich meinst, selbstverständlich kenne ich die Texte.
Sie sind meiner Meinung weniger praktisch orientiert, sondern mehr philosophisch nachdenkend.

Gruß
PS: Ich weiss auch wie das Alias des Autors hier lautet. ;-)
 
Hi Thomas,

falls du mich meinst, selbstverständlich kenne ich die Texte.
Sie sind meiner Meinung weniger praktisch orientiert, sondern mehr philosophisch nachdenkend.

Gruß
PS: Ich weiss auch wie das Alias des Autors hier lautet. ;-)

Lieber Bachopin,

das finde ich aber gar nicht!

nur ein paar Zitate aus den ersten Seiten zur ersten Übung:

"Klavierüben kann man praktisch überall. Eine angenehm warme Badewanne ist eine gute Gelegenheit, die Hände aufs Wasser zu legen, um eine Idee zu bekommen, wie Exercise No.1 sich wohl anfühlen möchte. Ein herbstlicher Spaziergang könnte uns veranlassen, Vergleiche anzustellen zwischen unserer Tastatur und dem weichen Waldboden, zwischen der Tätigkeit der Füße und derjenigen der Hände. Die Langeweile im Wartezimmer des Zahnarztes kann man sich vertreiben, indem man ein kleines Stück auswendig lernt.

Man sollte generell viel ausprobieren und experimentieren. Nicht jeder Mensch passt an jedes Klavier: .......

Zu Anfang bereitete mir Exercise No.5 großes Kopfzerbrechen: Zwischen den schwarzen Tasten blieb ich mit meinen dicken Fingern stecken. Dem konnte ich nur entgehen, indem ich sehr exact spielte, es war ein äußerst unangenehmes Gefühl. Also entschloß ich mich zur Flucht nach vorn: Ich machte einfach die Augen zu. Heute kann ich diese Übung nur noch blind spielen, das Hinschauen verwirrt mich, sie ist jetzt eine meiner liebsten..."

Praktischer geht es doch gar nicht und der Ansatz, zu fühlen, selbst wahrzunehmen, zu probieren, eigene Ideen zu entwickeln, entspricht nicht nur völlig den Übungen selbst, sondern ist auch pädagogisch sehr, sehr wertvoll!!!

Ich kann pppetc's Texte nur jedem ans Herz legen!

Liebe Grüße

chiarina
 
Hi liebe Lehrer,

bitte, ich hab' nicht gesagt, vergesst die Texte von pppetc.

Ich finde sie nur weniger praxisbezogen, sondern mehr nachdenkend philosophisch und genau das hast du ja, liebe chiarina eigentlich mit deiner Antwort bestätigt.

Oder gehst du in deiner KL-Stunde mit dem Schüler gemeinsam in die Badewanne oder in den Wald? ;-) (Das ist mein Grinsekopf)

Und dass man immer und üerall über das KL-Spielen nachdenken kann/sollte oder auch mental üben kann/sollte, das ist doch mene Rede, wenn du meine Posts anschaust.
KL-Spielen ist eine mentale Fertigkeit, verbunden mit motorischen "Aktivitäten".

Gruß
PS: aus der Brahms, Chopin und Bäder-Stadt Baden-Baden
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Hi liebe Lehrer,

bitte, ich hab' nicht gesagt, vergesst die Texte von pppetc.

Ich finde sie nur weniger praxisbezogen, sondern mehr nachdenkend philosophisch und genau das hast du ja, liebe chiarina eigentlich mit deiner Antwort bestätigt.

Oder gehst du in deiner KL-Stunde mit dem Schüler gemeinsam in die Badewanne oder in den Wald? ;-) (Das ist mein Grinsekopf)

Und dass man immer und üerall über das KL-Spielen nachdenken kann/sollte oder auch mental üben kann/sollte, das ist doch mene Rede, wenn du meine Posts anschaust.
KL-Spielen ist eine mentale Fertigkeit, verbunden mit motorischen "Aktivitäten".

Gruß
PS: aus der Brahms, Chopin und Bäder-Stadt Baden-Baden


Lieber Bachopin,

das ist mir klar!!! Ich weiß, dass du nichts gegen die Texte selbst hast und auch die genannten Zitate positiv siehst.

Worin wir uns unterscheiden, sind vermutlich die Begriffe "philosophisch" und "praktisch".

Ich finde die von mir zitierten Ausschnitte (s.o.) unglaublich praxisorientiert. Sie knüpfen nämlich an bereits gemachte (hoffentlich :D ) Alltagserfahrungen an (Badewanne, Waldboden, Füße-Hände) und stellen durch Bewußtmachen (Fühlen, Spüren, Wahrnehmen) eine Verbindung zum Klavierspielen und zur Ausführung dieser Übungen her. So muss man nicht 100000 Worte finden, um die Ausführung zu beschreiben, sondern knüpft an die alltägliche Praxis des Schülers an. Praktischer geht's doch dann gar nicht! :D

Die Verbindung von natürlichen Bewegungen, die wir im Alltag ohne groß nachzudenken, ausführen, zum Klavierspiel ist ja schon von vielen berühmten Klavierpädagogen als sehr wichtig benannt worden! Wenn man so im Klavierunterricht arbeitet, erreicht man oft in sehr kurzer Zeit eine Lösung von Spielproblemen etc..

Für mich bedeutet praktisch also das Gegenteil von theoretisch und deshalb finde ich pppetc's Texte so praxisnah wie kaum welche. Ganz besonders in bezug auf diese Übungen, die über intellektuelle Beschreibungen m.E. kaum zu erfassen sind.

Liebe Grüße

chiarina
 

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