Und wer Orgel spielt, ist es eh gewohnt, dass sich der Kontakt zum Publikum nicht dadurch einstellt, dass man gesehen wird.
Kenne inzwischen viele Kirchen, in denen der Orgelspieltisch nicht mehr hinten auf einer nicht einsehbaren Orgelempore steht, sondern vorne in räumlicher Nähe des Altarraums, mitunter sogar nicht mehr mit dem Rücken zum Publikum. Da wird man selbstverständlich gesehen und bei einem Gottesdienst als unverzichtbarer Bestandteil der Zeremonie angesehen. Dann sieht einen nicht nur der Besucher, sondern nimmt eine Interaktion mit dem Zelebranten und mit dem Besucher bewusst wahr.
wird wohl eher nicht in einer Kirche aufgeführt.
Im vergangenen Jahr habe ich einen kompletten Opernabend mit zwei jungen Gesangssolistinnen (Sopran und Mezzosopran) in einer vollbesetzten Großstadtkirche am Flügel mitgestaltet. Die Arien und Duette wurden konzertant mit darstellerischen Elementen, Gesten und Requisiten dargeboten, da eine Mischung von frühklassischen Werken über deutsche Spieloper und klassische Operette bis hin zum Verismo auf dem Programm stand mit Moderation durch die Solistinnen, gab es sowohl für die Moderation als auch die Gesangsdarbietungen stets Beifall, was bei einer durchkomponierten "Elektra" in konzertanter Ausführung ja nicht möglich wäre. Wenn mehrere Abschnitte eines gleichen Werkes zusammengefasst gewesen wären (etwa ein bis zwei Arien jeder Solistin und ein oder zwei Duette beispielsweise aus einer Mozart-Oper), hätte man wohl dem Publikum verraten, zu welchem Zeitpunkt das Applaudieren angemessen gewesen wäre. So blieb es eben bei einer typischen Operngala, bei der man am Ende immer klatschen durfte.
Ich hab' mal gelesen, dass Konzert-Musiker einen Zwischendurch-Applaus gar nicht so gern moegen, da sie dabei ihre Konzentration verlieren. Stimmt das?
Da ist durchaus etwas dran. Auf alle Fälle wirkt es unverständig oder laienhaft, wenn man immer dann applaudiert, sobald ein Stück, ein Lied oder ein Satz zu Ende ist. Wer dann immer gleich losklatscht, kennt offenbar keine Zusammenhänge innerhalb der dargebotenen Werke und hat nicht einmal Ahnung, aus wie vielen Sätzen selbiges besteht. Gewissermaßen zur Häppchen-Ästhetik à la Klassik Radio degeneriert, weil man gar keine kompletten Werke mehr hört, sondern nur die Highlights: man kennt nur noch das "Celebrated Air" oder "Air On A G-String", aber nicht mehr in seiner Einzelstellung als Satz aus der 3. Orchestersuite D-Dur BWV 1068 von Johann Sebastian Bach. In diesem Sinne passend musste ich dieses Stück in der vorigen Woche zum Auszug bei einer Beerdigung orgeln und zum Einzug die "Morgenstimmung" aus Griegs 1. Peer-Gynt-Suite. Und nach der Traueransprache war
Millowitschs "Kölsche Jung" gewünscht, weil der Verstorbene begeisterter Anhänger des Kölner Karnevalsbrauchtums war. Hätte man ein viertes Stück gebraucht, hätte ich
"Ohne Dich" von Rammstein vorgeschlagen, das ich vor einigen Monaten tatsächlich mal orgeln musste. Noch mehr Häppchen-Ästhetik mit nicht zusammen gehörenden Einzelnummern wäre nicht mehr gegangen. Dies auch als Antwort auf diesen Standpunkt:
Hm.
Ich würde das Nicht-Klatschen zwischen den Sätzen bei mehrteiligen Stücken eher als Konvention sehen, und nicht zwingend als Regel, die es immer und stets zu befolgen gilt. Ich hab noch nie jemanden ausm Konzert geworfen, der nach einem ersten lebhaften Concerto-Satz voller Begeisterung anfing zu klatschen, und würde das auch nicht tun.
LG von Rheinkultur