Artikulation meint ja die Verbindung zwischen den Tönen. Es ist doch sehr logisch, dass diese Verbindung sehr vielfältig, sogar so vielfältig wie möglich sein muss, um die sehr unterschiedlichen musikalischen Strukturen, Klänge und Entwicklungen in der Klaviermusik darzustellen. Auf nur zwei Töne bezogen kann zwischen ihnen z.B. eine mehr oder minder große Pause erklingen, es kann eine mehr oder weniger dichte Verbindung existieren (es gibt sehr viele Möglichkeiten des legato) und es gibt ebenso viele Möglichkeiten dazwischen.
Sie alle haben damit zu tun, wie man einen Ton beginnt und wie man ihn endet! Ich kann z.B. die Taste langsam hochkommen lassen, was ein weiches, ausklingendes Ende eines Tones zur Folge hat (was sich wiederum auf den nächsten Ton bzw. auf die Verbindung zum nächsten Ton auswirkt), ich kann auch die Taste sehr schnell hochkommen lassen, was den Ton abrupter aufhören lässt. Und vieles dazwischen. Ich kann einen Ton so beginnen, dass er schnell leise wird und ich kann einen Ton so beginnen, dass er die Energie aufrecht erhält. U.v.a.
Es ist sehr gut, was
@mick geschrieben hat! Ich habe vor Jahren weiter oben auch einen Beitrag geschrieben mit einem Vergleich zu Sängern, Streichern, Bläsern. Man kann auch die Sprache als Vergleich nehmen. Man kann zwischen zwei Silben, Wörtern oder Buchstaben Pausen sehr unterschiedlicher Länge machen. Die dichteste Verbindung in der Sprache ist sicherlich eine Aneinanderreihung von Vokalen, z.B. Auauauauau oder eieiei. Wenn man nun einen Konsonant zwischen zwei Vokale bringt, entsteht eine mehr oder minder kleine Unterbrechung. Diese hängt von der Art des Konsonanten ab: ein "p" unterbricht mehr als ein "n".
So sollten wir auch musizieren. Liebe coucou, das, was deine Lehrerin vorschlägt, ist abgesehen von allem, was
@mick schreibt, auch noch sehr, sehr gleichförmig und widerspricht einem lebendigen Vortrag des Belcanto.
Früher wurde oft gelehrt "Nach einem Bogen setzt man ab". Es sollte also immer eine mehr oder weniger kleine Pause erklingen. Man kann das "Atemholen" eines Sängers zwischen Phrasen aber auch anders darstellen. Wie oben erwähnt kann man den letzten Ton einer Phrase sehr unterschiedlich beenden, indem man die Taste mehr oder weniger langsam hochkommen lässt. Ähnlich den erwähnten Konsonanten. Auch mit dem Pedal kann man feinfühlig agieren und Verbindungen unterschiedlich klingen lassen. Man kann sogar nur durch die Dynamik Bögen und Phrasen darstellen, indem man den letzten Ton einer Phrase beispielsweise leiser spielt und den ersten Ton der nächsten Phrase lauter.
Ein wunderbares 5-Minuten-Video von Aimard habe ich schon mal verlinkt:
View: https://www.facebook.com/BRSO/videos/2136128950011410/
.
Dazu kommt noch, dass man Bögen nicht immer mit "Hand nach oben" beendet, so wie du es beschrieben hast. Denn das hat Auswirkungen für die Art der Bewegung vorher und nachher. Diese oft elliptischen Bewegungen müssen sich dann in der Richtung und Art und Weise nur danach richten, dass man angeblich beim Ende des Bogens hoch gehen muss mit der Hand.
Die Bewegung muss aber auch das umsetzen, was vorher und nachher erklingen soll und das kann ganz andere Bewegungen erfordern. Hier z.B. würde ich in der linken Hand beim Basston den Arm nach vorn bewegen und dann in einer Ellipse im Uhrzeigersinn. Es geht auch anders, aber als Lehrer sollte man Rücksicht darauf nehmen, welche Bewegungen dem Schüler am bequemsten sind und womit die Begleitfigur am schönsten klingt (Klangteppich). Danach richtet sich dann auch die Artikulation und Gestaltung der Verbindungen zwischen Bögen und Tönen. Immer mit der Hand hoch zu gehen ist ein zu stereotypes Vorgehen, dass nicht flexibel auf die vorhandenen musikalischen Gegebenheiten reagiert.
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Ach so, also gibt es natürlich so viele Artikulationsarten wie möglich, legato, leggiero, leggierissimo, portato, tenuto, non legato, staccato, staccatissimo etc. in allen möglichen Ausprägungen. :)