Womit fange ich an? Anfänger ohne Klavierlehrer (wegen Corona)

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sascha

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21. März 2020
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Guten Abend zusammen,

nachdem ich über einen Monat still in diesem Forum mitgelesen habe, möchte ich jetzt mein erstes Thema eröffnen, weil ich etwas ratlos bin.

Kurz zu mir:
Ich bin 38 Jahre alt, habe keinerlei musikalische Vorkenntnisse und möchte das Klavierspielen lernen. Ich habe mich Anfang des Monats bei der städtischen Musikschule für Einzelunterricht angemeldet und mir auch schon ein Digitalpiano gekauft (richtiges Klavier war vom Platz her und finanziell nicht drin).

Jetzt ist ist die Situation nun mal so, dass ich auf absehbare Zeit nicht mit dem Unterricht anfangen kann. Wie nutze ich die Zeit nun am besten? Ich habe aus der Bibliothek "Notenlesen für dummies" ausgeliehen. Das Buch gefällt mir vom Aufbau her aber überhaupt nicht. Direkt zum Klavierlernen hatte ich leider vor der Schließung nichts bekommen können. Auf musikkunde.info habe ich die Kapitel über die Notenlehre gelesen.

Ich habe keine Vorstellung davon, in welcher Reihenfolge ich mich womit am besten beschäftigen kann. Kann mir jemand nützliche Seiten oder Videos für absolute Anfänger nennen?

Im Voraus vielen Dank für eure Vorschläge
 
Ach Mensch, das ist wirklich eine blöde Situation – ausgerechnet jetzt. :020:

Drei kleine Hinweise/Tipps:

1. Du sagst, Du habest

Also kannst Du vermutlich auch keine Noten lesen? Deine künftige Lehrkraft wird sich gewiss freuen, wenn Du das bis zum Beginn des Unterrichts lernst. Für Klavier brauchst Du den Violinschlüssel und den Bassschlüssel. Hier sind sie alle:

Klaviatur.GIF

Für den Anfang lernst Du den Bereich von "C" bis "c3". Damit kommst Du lange Zeit gut klar. Lern die Noten unbedingt direkt am Instrument, damit Du nicht nur einen schwarzen Punkt auf einer Linie erkennst und benennen kannst, sondern direkt "Taste" und "Klang" damit verknüpfst.

Ich habe keine Vorstellung davon, in welcher Reihenfolge ich mich womit am besten beschäftigen kann.

2. Du kennst doch sicher ein paar schlichte Lieder. Also keine Popsongs, sondern Kinder-, Volks- oder Kirchenlieder. Spiel sie nach Gehör, zuerst nur die Melodiestimme. Wenn die Melodiestimme flüssig läuft, könntest Du ausprobieren, welche Begleittöne gut zur Melodie passen. Dabei wirst Du feststellen: Nicht jeder Klang passt zu jedem Klang. Es entstehen Spannungsverhältnisse. Manche klingen "zwar irgendwie nicht ganz astrein, aber irgendwie gut", andere klingen "total unpassend".

3. Just for fun: Zum "freien Herumklimpern" spiel nur die schwarzen Tasten. Das klingt immer irgendwie gut. :005:


Begründung:
Für 1.: Notenlesen ist ein Muss. Darum kommst Du nicht herum. Aber: Letztlich ist der Notentext nur die Verschriftlichung von Klängen, und auf die kommt es an. Daher Begründung
für 2. : Das A und O ist natürlich der Klang. Um das Tastengelände kennenzulernen und sinnlich zu erfahren, in welchem Verhältnis Tasten untereinander stehen und wie sozusagen das Grundprinzip des Instruments funktioniert, ist es gut, wenn man zunächst bewusst das Ohr arbeiten lässt und im Abgleich mit der inneren Klangvorstellung ausprobiert, wie man die Klangvorstellung auf dem Tastengelände umsetzt.
für 3.: Ist nur Just for fun. :005: Soll den Mut zur und die Freude an Improvisation fördern. Nach Noten spielt man noch genug. Ich finde es wichtig, wenn man nicht von Anfang an nur an Noten klebt, sondern auch die Freude am freien Klang auslebt.

Viel Freude mit Deinem Instrument und mit der Musik. Bei konkreten Fragen – stell sie gern hier in Deinem Thread. Bestimmt finden sich hier Leute, die Dir helfen.
 
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Ich habe keine Vorstellung davon, in welcher Reihenfolge ich mich womit am besten beschäftigen kann.

Barrat hat's ja freundlicherweise durchnummeriert. Notenlesen (genauer: Noten erfassen und spielen) ist nicht gerade einfach, weil die Noten mit steigendem Schwierigkeitsgrad immer komplexer werden. Das lernt man nicht mal eben so. Aber: Je schneller man die Noten erfasst, desto mehr Stücke kann man in der gegebenen Zeit lernen und desto schneller kommt man voran.
 
Und wenn Du ganz heiss aufs spielen bist (und nachdem Du Dir wenigstens Grundkenntnisse der Noten draufgeschafft hast), dann nimm dir das Praeludium 846 in C-Dur (am besten diese Version mit Fingersätzen) vor. Notenhals nach unten: Linke Hand, Notenhals nach oben: Rechte Hand ... Hörbeispiele gibts genügend. Fang gaaanz langsam an. Erst links, dann rechts dann zusammen. Bei dem Stück kannst Du Dir nichts versauen und Spass machts (nach einer Weile) auch. Das sollte so nach 4-6 Wochen Selbststudium einigermassen erkennbar zu spielen sein ...

Ich sehe gerade: Nich alle "Linke Hand Noten" haben den Notenhals nach Unten .... also (bis auf den letzten Takt) die ersten beiden Noten jeweils mit links, den Rest mit rechts.

Fingersätze: 1= Daumen, 2=Zeigefinger, 3= Mittelfinger, 4= Ringfinger und 5= ??? na????
 

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  • C praeludium bach.pdf
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du Schlingel... da ist ein Takt drin, der nicht von Bach ist...)
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Ja dieser Takt hatte mich auch kurzzeitig aus der Fassung gebracht.
Ich hab die Urtextfassung vom Notenbüchlein mit dem Stück zu Hause und hatte damit geübt. Mein KL hatte mir aber auch eine Kopie von sich mitgegeben, (auf denen die Akkorde notiert waren.)
An einem Tag hatte ich dann seine Noten auf dem Pult und bin dann über den mir völlig unbekannten Takt gestolpert.
Ich wollte schon an meinen Augen und Verstand zweifeln, bis mir einfiel, dass mein KL erwähnte, dass es verschiedene Fassungen von dem Stück gibt.:lol:
 
Ich wollte schon an meinen Augen und Verstand zweifeln, bis mir einfiel, dass mein KL erwähnte, dass es verschiedene Fassungen von dem Stück gibt.

Verschiedene Fassungen gibt es nicht, Bachs Autograph ist eindeutig. Der eingefügte Takt stammt von Friedrich Gottlieb Schwencke, der erst auf die Welt kam, als Bach schon lange die Post von den Maulwürfen erhielt. Unseligerweise übernahm Czerny diesen Takt in seine Ausgabe, und nur deshalb geistert dieser falsche Takt noch heute durch die Musikgeschichte. Zu allem Überfluss basiert Gounods Ave Maria auch auf der Czerny-Ausgabe. Der Takt zerstört die Symmetrie des Praeludiums und ist deshalb nicht in irgendeiner Form eine "Lesart", sondern einfach Scheiße.
 
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Verschiedene Fassungen gibt es nicht, Bachs Autograph ist eindeutig. Der eingefügte Takt stammt von Friedrich Gottlieb Schwencke, der erst auf die Welt kam, als Bach schon lange die Post von den Maulwürfen erhielt. Unseligerweise übernahm Czerny diesen Takt in seine Ausgabe, und nur deshalb geistert dieser falsche Takt noch heute durch die Musikgeschichte. Zu allem Überfluss basiert Gounods Ave Maria auch auf der Czerny-Ausgabe. Der Takt zerstört die Symmetrie des Praeludiums und ist deshalb nicht in irgendeiner Form eine "Lesart", sondern einfach Scheiße.
So ist es. Andere Abschriften des Bach'schen Autographs enthalten diesen Takt ebenfalls nicht:
http://ks.imslp.info/files/imglnks/...5948-Partitur_D-B_Mus._ms._Bach_P_402_(1).pdf
Diese stammt von Johann Christoph Altnikol (Naumburg), der seinen Lehrer, Schwiegervater und Komponisten des Wohltemperierten Klaviers nur um wenige Jahre überlebte. Was Schwencke dazu veranlasste, diesen seltsamen Durchgangsakkord einzuarbeiten, wusste vermutlich außer ihm niemand. Da er seinerseits die Post von den Maulwürfen ausgehändigt bekommt, können wir ihn dazu ebenfalls nicht mehr befragen.

LG von Rheinkultur
 
Vielen Dank an alle für die Tipps bisher!

@Barratt
Danke für den 3-Punkte-Plan. Ich bin seit einer Woche intensiver am Notenlernen. Der Weg vom Erfassen der Note, bis zum Finden der Taste ist aber noch lang, das geht zur Zeit noch im Schneckentempo. Habe ich aber auch nicht anders erwartet.

@hyp408
Danke für das Praeludium mit Fingersatz. Was bedeutet denn "(Note=112)" oben neben Allegro? Ist das wichtig?
 
Was bedeutet denn "(Note=112)" oben neben Allegro? Ist das wichtig?

112 ist die vorgeschlagene Geschwindigkeit in Schlägen pro Minute (beats per minute), in der Du das Stück spielen sollst, in diesem Fall bezogen auf eine Viertelnote: https://de.wikipedia.org/wiki/Tempo_(Musik)

Und nein, wirklich wichtig ist das am Anfang nicht, du wirst das Stück mit Sicherheit zunächst deutlich langsamer spielen und das ist auch gut so.

Hier gibt es übrigens ein interaktives Notenlernprogramm und viele weitere Hilfestellungen zur allgemeinen Musiklehre:

https://www.musiklehre.at/index.htm
 
@sascha

KL Torsten Eil macht heute Abend einen YT Life Stream indem Corona bedingte KL-lose Schüler Fragen stellen können.

Vielleicht wäre das was.
 
Hallo Sascha ... lass den strittigen Takt einfach weg. Wenn Du das Stück dann perfekt und im richtigen Tempo spielen kannst (also vielleicht in 2-3 Jahren) kannst Du immer noch entscheiden ob es Dir mit oder ohne die "Schwenke-Erweiterung" besser gefällt. Ansonsten hau rein, lass Dich nicht ablenken und bleib gesund.

Gruss

Hyp
 
Mein Tip für den Anfang wäre ein Liederbuch mit Kinderliedern, da kennt man die Melodien und das wichtigste Kontrollorgan beim Klavierspiel, das Ohr kann seine Funktion ausüben und dich merken lassen, wenn Du falsch spielst. Der Tonumfang - meist der einer Blockflöte reicht für den Anfang allemal.
 
Für mich als totaler Spätanfänger wie du war Heumanns "Klavier spielen - mein schönstes Hobby" ein guter schrittweiser Einstieg ins Notenlesen und alles mit passenden kleinen Übungsstücken zu jedem neuen Thema. Mein erster Klavierlehrer war nämlich kacke und ich musste mir die ersten Schritte praktisch selbst beibringen.

Damit kannst du dich problemlos drei Monate beschäftigen. Ein guter Lehrer so bald wie möglich ist aber Pflicht, damit du dir nicht zu falsche Technik aneignest. Auch ist der zweite Teil des Buchs nicht mehr so stringent aufgebaut.

Vom erwähnten Bach-Stück würde ich als Totalanfänger die Finger lassen, weil noch zu schwierig. Es steht am Schluss des Heumann-Buchs und ich konnte das nach einem Jahr leidlich spielen (heute nach 2.5 Jahren klingt es schön).
 
@Tonsee

Deine Beschreibung von dem Heumann-Buch hört sich gut an. Ich werde es mal damit versuchen.
 
Hi Sascha,

ich finde auch, dass das Bach-Präludium für einen Totalanfänger viel zu schwierig ist, auch wenn es den Fortgeschrittenen super einfach vorkommen mag.

Mach gerade am Anfang ganz kleine Schritte, dann stellen sich die Erfolge schneller ein und es macht mehr Spaß.

Einer der größten Fehler, den Späteinsteiger (wie ich) machen, ist, zu viel auf einmal zu wollen. Ich hab lange gebraucht zu akzeptieren, dass man nichts übers Knie brechen kann und dass man nur mit viel Fleiß, Beharrlichkeit und regelmäßigem Üben ans "Ziel" kommt. ("Ziel" in Anführungszeichen, denn beim Klavierspielen ist der Weg das Ziel, man kommt also nie wirklich an, nur voran).

Für mich war die "Kinderliederphase" eine Qual, wollte ich doch viel schönere Stücke spielen. Aber man muss erst krabbeln lernen, bevor man gehen, laufen und tanzen kann.

Den 3-Stufen-Plan finde ich auch super! Wenn Dir das Notenlernen am Anfang Mühe bereitet, nicht schlimm. Das kommt mit der Zeit.

Es dürfte sinnvoll sein, eine Klavierschule durchzuarbeiten, um nach und nach und systematisch die Basis aufzubauen, bevor man zu Originalstücken kommt. Aber ich denke, das macht man besser unter Aufsicht, damit man sich keine Fehler antrainiert, die man sich später mühsam wieder abgewöhnen muss. Ich an Deiner Stelle würde in der Klavierschule fragen, was die empfehlen. Ansonsten: Hab Spaß, lern Dein Instrument kennen, entwickle Dein Gehör!

LG
Anja
 

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