Ich versuche mich auch mal an einer Erklärung... Wobei ich da nicht auf amtliche Jazz-Theorien zurückgreife sondern auf eine Mischung aus meinem Amateur-Kenntnisstand, meinen Spiel-Erfahrung und dem, was ich für gesunden Menschenverstand halte.
"Shell" bedeutet Hülle, Muschel, Ummantelung bzw. "Schale" (gemeinsamer germanischer Ursprung des englischen Wortes "Shell).
Hülle bzw. Schale wofür? Wohl am ehesten als Hülle und/oder Grundgerüst für einen harmonischen Kontext, also einen konkreten Akkord innerhalb einer harmonischen Abfolge ("Changes"). Ein Shell-Voicing hat also die Aufgabe, einen eindeutigen harmonischen Rahmen festzulegen, aber trotzdem nicht alles in Stein zu meiseln (GRUNDgerüst!!!).
Was macht einen Akkord zu dem, was er ist? 1. Grundton natürlich, 2. Terz (vereinfacht: sind wir in Dur oder moll?, vermindert und terzvorhalte lassen wir erstmal weg) und 3. Septime (groß oder klein?). Alles andere in Voicings sind Zusatztöne, die den Sound prägen, die aber mit den gleichzeitig erklingenden Melodietönen (im Thema oder der Impro) übereinstimmen müssen, andernfalls gibt es Reibungen.
Wenn die Freiheiten des Improvisators (egal ob es sich um einen anderen Instrumentalisten oder die rechte Hand des Pianisten handelt) also groß sein soll, und das Risiko für Dissonanzen minimiert werden soll, kommt man fast automatisch zu dem was als Shell-Voicings bezeichnet wird:
Grundton, Terz und Septime!
Das sind aber 3 Töne, Shell-Voicings bestehen meist nur aus 2. Hmmm...
Das liegt in meinen Augen daran, dass Terzen deutlich unterhalb der 1-gestrichenen Oktave nicht mehr gut sondern matschig klingen (Ausnahmen gibt es immer), so dass dann schnell nur noch Grundton und Septime übrig bleiben. Außerdem klingen gedoppelte Terzen (in Voicing UND Melodie) nur ok, wenn sie identisch und sehr exakt intoniert sind. Man riskiert also weniger, wenn man die Terz im Voicing weglässt.
Ein 2-Ton-Voicing aus Terz und Septime geht bei Dominant-Sept-Akkorden gut (Wenn man einen Bassisten hat), bei Moll und Maj7 klingt es (zumindest bei mir) oft nicht so dolle.
Grundton und Terz ist ein relativ enges Intervall, das passt nicht immer, aber es klingt dadurch manchmal schön warm. Bietet sich an, wenn die Septime in der Melodie oder Impro vorkommt.
Große Nonen, Sexten etc. als 2-Ton-Voicings lasse ich mal weg, sonst geht das zu weit, außerdem komme ich das auch schnell an meine Grenzen.
Das ganze ist natürlich immer kontextabhängig und man muss einfach viel ausprobieren, wann was gut klingt.
Soweit... just my 5 cents...
LG
TJ
PS: Gerne konstruktive Einwände und Ergänzungen!
PPS für Hasenbein: Wie Du sicher unschwer erkennen kannst, waren alle meine Lehrer vollkommen unterirdisch!