komische Tastengarnierung bei Sauter 50er Jahre?

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Mal eine Frage an die Klavierbauer-Kollegen: ich hab heute ein 106 cm hohes Sauterklavier von 1957 gesehen, bei dem sämtlich Vordergarnierungen extrem ausgeschlagen wirkten, so dass man es schon an den Spatien erkennen konnte ohne überhaupt an den Tasten zu wackeln. Ich hab mir dann die Garnierungen angesehen und war ziemlich überrascht: es gab gar keine mehr :(

Ich vermute mal, die Garnierungen bestanden aus irgendeinem Kunststoff, der sich im Laufe der Jahrzehnte einfach aufgelöst hat und buchstäblich weggebröselt ist. Aber einfach neu befilzen geht nicht, da es sich um kreisrunde Löcher handelt, siehe Fotos. Hat jemand schon mal an so einer Tastatur gearbeitet? Wie könnte man das am elegantesten reparieren? Mit elegant meine ich übrigens schnell und effektiv. Was man natürlich machen könnte, wäre dübeln. Aber dazu müsste man 2 Dübel nehmen, einen langen mit kleinem Durchmesser und einen kurzen mit großem Durchmesser. Dann müsste man einen Schlitz fräsen und dann mit Filz garnieren.

Die original Garnierungen wird man wohl kaum noch bekommen. Und einfach einen runden Filz ausstechen und dann einen Schlitz rein machen scheint mir auch nicht vertrauenserweckend.

Irgendwelche Tipps oder gar persönliche Erfahrungen damit? Ich hab sowas noch nie gesehen und auch noch nie davon gehört.
 

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So, ich hab mal bei Sauter angerufen. Die meinten, das war tatsächlich eine Kunststoffgarnierung, die durch die Weichmacher zerbröselt ist. Die bieten auch eine Reparatur an, aber bei dem Preis den sie mir nannten lohnt sich das nicht wirklich. Die dübeln die Löcher neu aus und machen mit einer Oberfräse einen neuen Schlitz rein und garnieren dann mit Filz. Allerdings reicht ein Dübel, da der Garnierungsfilz auch bei normalen Tasten ja gar nicht so weit runter reicht.
 
Wollte dir auch raten einfach mal bei Sauter anzurufen.
Ich kenne diese Tasten noch aus der Lehrzeit, durfte die dann immer neu Garnieren.
 
Hallo,

Ja, das sind immer die "Nieten" beim blinden Ankauf. ;-)
Teilweise wurden auch an der Waage solche Kunststoff-Scheiben als "Garnierungen" verwendet, siehe Bild.

Alte Sauter-Klavier sind immer für Überraschungen gut.
Es gab sogar Sauter-Klaviere mit Voll-Kunststoff-Mechanik "Hohner-Mechanik".


Liebe Grüße,

Thilo

Der Klavierladen
 

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Danke für die Bilder, Tastenscherge und Thilo!

Ich habe solche Garnierungen auch noch nicht gesehen :o - gibts wohl nicht sehr viele solcher Klaviere. Tastenscherge - wie hoch war der KV für die Reparatur? Ich hätte schon Ideen das zu reparieren....

Wenn ich sehe, wie Kunststoff nach 50 Jahren aussieht und zerbröselt, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie heutige Klaviere mit "modernen" Kunststoffmechaniken vorwiegend der Marken K+Y nach solch einer Zeitspanne aussehen.:rolleyes:

LG
Michael

Kleiner Tipp - Guckt mal den Film Plastikplanet - http://www.plastic-planet.at/
 
Seit den 60iger Jahren verwendet Yamaha Kunststoffstoßzungen, wieviele davon hast Du denn schon reparieren müssen? Da gibts mit gleich alten Renner-Mechaniken wohl mehr Arbeit.
 
Ich habe solche Garnierungen auch noch nicht gesehen :o - gibts wohl nicht sehr viele solcher Klaviere. Tastenscherge - wie hoch war der KV für die Reparatur? Ich hätte schon Ideen das zu reparieren....

Der Herr bei Sauter hat sich auch gewundert, dass es noch welche davon gibt und im Umlauf sind :D Wenn die das machen kostet das ca. 550 Euro. Was hättest du denn für eine Idee? Schneller und billiger?

Das Klavier wäre möglicherweise für kleines Geld (oder gar umsonst?) zu haben. Wenn einer der Kollegen interessiert ist, könnte ich den Kunden nochmal fragen. Bassstegdoppel hat Risse im Bereich der einchörigen Tasten. Sollte eigentlich ein neues Doppel drauf, aber zu hören ist von den Rissen absolut gar nichts, Stifte scheinen noch fest zu sitzen. Wäre vielleicht ein Fall zum experimentieren mit Epoxy oder je nach Anspruch einfach ignorieren. Ansonsten komplett ohne Risse und die Renner-Mechanik sieht noch sehr gut aus. Optisch ist das Klavier auch nicht wirklich 1A erhalten. Bei Interesse einfach bescheid sagen. Ich kann mir vorstellen, das der jetztige Besitzer es einfach nur loswerden will, da eine Reparatur zu teuer ist für ihn. Das Klavier steht im Münsterland in NRW.

Zum Thema Plastik in Mechaniken: die heutigen Werkstoffe sind mit früher natürlich nicht zu vergleichen. Aaaaber: wenn in einigen Jahren oder Jahrzehnten irgendetwas gebrochen oder wie auch immer kaputt gegangen ist, wage ich zu bezweifeln, dass dann noch Originalteile zu bekommen sind. Bei Holz kann man wenigstens zur Not etwas von Hand zurecht schnitzen. Was war eigentlich die letzten 100 Jahre so schlecht an Holz, Filz und Leder? ;)
 

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Seit den 60iger Jahren verwendet Yamaha Kunststoffstoßzungen, wieviele davon hast Du denn schon reparieren müssen? Da gibts mit gleich alten Renner-Mechaniken wohl mehr Arbeit.
Hallo Klavierbauermeister,
Die Kunststoffstoßzungen der Yamaha haben tatsächlich noch nicht diese Probleme. Der Bestandteil ist auch relativ groß im Vergleich zu der Druckbelastung dessen er ausgesetzt ist und somit hat der Brüchigkeitszustand noch nicht die kritische Marke erreicht. Die Probleme kommen aber mit Sicherheit eher als mit Holz. Zwischenzeitlich verwendet man aber sehr viel mehr Kunststoff, und tauft sie bei Kawai z.b. mit sonderlichen Namen.

Probleme bei Renner Mechaniken gibt es natürlich, aber nicht auf Materialbruch, sondern vorwiegend was zu strenge Achsen einer bestimmten Periode betrifft. Das ist auch nicht lustig zu reparieren, aber allemal leichter als zerbrochene Bestandteile aus Kunststoff. Was die Zukunft betrifft, werden diese Probleme stark zu nehmen, weil das "ach so schöne Plastik" immer mehr Einzug findet im Klavierbau. Gehäuseverschlüsse, Pedalbuchsen, Pedalstösserführungen, neuerdings auch Hammerleistenstoff aus Schaumgummi, um nur einige Beispiele zu nennen.:-?

LG
Michael
 
Schaumgummi im Inneren des Klaviers???? :shock:
Da kann es wirklich verhältnismässig schnell eklig werden.
Als ich neulich mein altes Keyboard aus den Neunzigern vom Schrank geholt habe, habe ich eine derartige Überraschung erlebt.
Es lag jetzt etwa ganze 10-12 Jahre unberührt auf dem Schrank und ich dachte das Keyboard wäre auf jeden Fall kaputt.
Das Keyboard läuft aber noch tadellos. Was gelitten hat, war die Schutztasche die innen zur Polsterung mit Schaumstoff ausgekleidet war.
Die war regelrecht verwest! Zu matschigen Fisseln geworden, die sich von der Innenseite der Tasche gelöst haben und in alle Ritzen des Keyboards gekrochen waren. Sehr unerfreulich. Konnte ich zwar mit etwas Mühen säubern aber trotzdem. Vorher war mir nicht bekannt, dass mit Kunststoffen so etwas passieren kann.
 
Klaviermacher,

wenn du noch Zeit dafür findest, schreib doch mal deine Gedanken zu einer möglichen Reparatur auf, auch wenn es nur eine noch unausgereifte Idee sein sollte. Möglicherweise kann/soll/muss ich das Sauter in Zahlung nehmen. Aber die Tasten zu Sauter zu schicken, lohnt sich definitiv nicht. Andererseits habe ich nicht mal eine Oberfräse, geschweige denn eine Tischoberfräse. Ansonsten scheint mir Dübeln tatsächlich die beste Möglichkeit.
 
Der Thread ist zwar schon ein Jahrzehnt alt, aber das Problem für mich aktuell.

Ich habe mir eines dieser 50er Jahre Problem Sauter Klaviere für ein schmales Geld angeschafft um darauf zu spielen/ schreiben/ aufzunehmen.

Ziel ist den gerechtfertigten, aber für mich unerschwinglichen Preis der Sauter Werks Klaviatur Instandsetzung zu umgehen, und das Projekt Ressourcen schonend selbst umzusetzen.

Ich hatte erst über eine Lösung nachgedacht welche stabilen Filz vorsieht, der mit einem Schlitz in der Mitte, als Substitut für die traditionelle Garnierung/ die porösen Plastik Einsätze in die frei gelegten Löcher der Plastik Garnierung geleimt wird.
Davon wurde mir jedoch jetzt dringlich abgeraten, da es keinen Filz gäbe der diesem Zweck dienen könne.

Gibt es noch andere Wege oder gar mittlerweile neue Erkenntnisse zu der Thematik ? (3D Druck o.ä. !?)

Für den Fall, dass ich doch die Dübel/ Oberfräsen Variante anwenden muss und auf eine klassische Garnierung umrüste:

Ich kenne diese Tasten noch aus der Lehrzeit,

Das Werkzeug habe ich zur Hand. Gibt es eine detaillierte Anleitung für eine solche Reparatur ? Was sind die Arbeitsschritte im Detail ? Wie ermittelt man die Maße/ genaue Position für den zu fräsenden Schlitz ?



Konntet und wenn ja wie habt ihr eure Sauter Klaviere mit Plastik Garnierung letztendlich gerettet ?

Lieben Gruß
Nick
 

Wie ermittelt man die Maße/ genaue Position für den zu fräsenden Schlitz ?
Position: Mittig (wo sonst?),
Maße: Da kann man sich bei der Breite an die Stifte halten: Stifte plus Kasimir-Stärke (gibt es unterschiedlich). Länge: ca. 10mm lang (die fertigen Kashmirstreifen sind 9 mm breit).
Da ich selbst einen 3D-Drucker habe, würde ich fertig geschlitzte Plastedübel aus, hmm, PLA+ oder ABS drucken.
 
Position: Mittig (wo sonst?),
Maße: Da kann man sich bei der Breite an die Stifte halten: Stifte plus Kasimir-Stärke (gibt es unterschiedlich). Länge: ca. 10mm lang (die fertigen Kashmirstreifen sind 9 mm breit).

Vielen Dank für eure Antworten.

Ein Freund hat für mich einmal einen 3D Druck Entwurf angefertigt, den würde ich gern mit euch gegen checken, bevor die große Charge gedruckt wird.

Weitere Fragen an euch:

Welches 3D Druck Material hat eurer Meinung nach die besten Eigenschaften für den bevorstehenden Einsatz ?

Mit welchem Kleber würdet ihr sagen, verklebt man die gedruckten Einsätze am besten mit dem Holz und wiederum die Kashmir Streifen mit den Plastik Einsätzen ?

Wäre es auch denkbar die Taste auf dem blanken Plastik über die Stifte gleiten zu lassen oder ist ein Kashmir Streifen zwingend notwendig ? Bzw. anders: geht es bei den Kashmir Streifen für die Garnierung im klassischen Klavierbau mehr um die Gleitfähigkeit des Materials oder darum mehr darum eine Art "Opfermaterial" zu haben was bei Verschleiß leichter ersetzt werden kann, als wenn das Holz in direktem Kontakt mit den Stiften steht und verschließt ?
 

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Kannte ich bisher noch gar nicht. Danke! Allerdings recht teuer, ähnlich wie Nylon. Da es Druckeigenschaften wie PLA oder PETG hat, dürfte das jeder Drucker können.
Ob es allerdings wirklich für Filzersatz geeignet ist, bezweifel ich. Grund: Reines Bauchgefühl. :-) . Zudem wird man es nicht drücken können, um es genau anzupassen. Außerdem sind die Eigenschaften laut deren eigenen Tests gar nicht so gut. Da schneidet ABS z.B. wesentlich besser ab. Noch besser als ABS ist ASA (sehr leicht druckbar) und nochmals sehr viel besser ist Nylon (allerdings schwer und nicht auf jedem Drucker druckbar).


Welches 3D Druck Material hat eurer Meinung nach die besten Eigenschaften für den bevorstehenden Einsatz ?
PLA oder ASA/ABS. Auf keinen Fall PETG, da sich das schlecht kleben lässt.
Hier gibt es einen PLA-Klebertest und für ABS/ASA gibt es speziellen Kleber. Keine Ahnung, ob der nötig ist. Für den Filz habe ich Fischleim genommen. Evtl. reicht auch Buchbinderleim.

geht es bei den Kashmir Streifen für die Garnierung im klassischen Klavierbau mehr um die Gleitfähigkeit des Materials oder darum mehr darum eine Art "Opfermaterial" zu haben
Ich denke die Funktion als langlebiges Gleitlager ist ausschlaggebend für das Material. Irgend wo gibt es ein schönes Vergleichsvideo von Micha, Kasimir vs Leder. Finde es grad net.
Ahh, gefunden.
 
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Ok, einen Test wäre es wert. Wenn eh schon gedruckt wird, kommt es auf die paar Kleinteile mehr oder weniger nicht an. Aber dann würde ich ASA bevorzugen (wenn Nylon möglich ist, wäre das optimal).
Bin auf jeden Fall gespannt, wie sich @jackieblitz entscheidet und wie es funktionieren wird.
 

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